Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Fortbildungskursen, Notarvertretungen und Wehrdienstzeiten bei der Auswahl von Anwaltsnotaren
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Auswahl von Anwaltsnotaren ist unter Berücksichtigung des Beschlusses des BVerfG vom 20.4.2004 (BVerfG v. 20.4.2004 - 1 BvR 838/01, 1 BvR 1303/01, 1 BvR 340/02, 1 BvR 1436/01, 1 BvR 1450/01) in der derzeitigen Übergangsphase die in § 6 Abs. 2 Ziff. 5 AVNot Schl.-H. enthaltene sog. Kappungsgrenze, nach der für die Teilnahme des Bewerbers an sonstigen notarspezifischen Fortbildungskursen und für die Niederschriften/Vertretungen insgesamt höchstens 45 Punkte im Rahmen der Auswahlentscheidung unter mehreren Bewerberinnen und Bewerbern angerechnet werden, nicht mehr anwendbar.
2. § 1 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 der Schl.-H. Landesverordnung über die Anrechnung von Zeiten nach § 6 Abs. 3 S. 4 BNotO (GVOBl. SH 1991, 381) ist dahin verfassungskonform auszulegen, dass die volle Pflichtzeit des abgeleisteten Zivildienstes im Rahmen der Punktebewertung der Auswahlentscheidung mit jeweils 0,25 Punkten je angefangenen Monat (§ 6 Abs. 2 Ziff. 2 AVNot) berücksichtigt werden muss. Eine Anrechnung von freiwillig geleisteten Dienstmonaten bei der Bundeswehr über die Dauer des Grundwehrdienstes und die Dauer der etwaigen Heranziehung zu Wehrübungen hinaus findet dagegen nicht statt.
Nachgehend
Tenor
Auf den Antrag des Antragstellers zu 1) wird der ihn betreffende Erlass des Antragsgegners vom 7.5.2004 aufgehoben und der Antragsgegner verpflichtet, über den Antrag des Antragstellers zu 1), ihm eine der in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen 2003, Seite 139, ausgeschriebenen Notarstellen im Bezirk des AG A. zu übertragen, nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Antrag der Antragstellerin zu 2) wird zurückgewiesen.
Die Verfahrenskosten tragen der Antragsgegner und die Antragstellerin zu 2) jeweils zur Hälfte. Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 1). Der Antragsgegner, die Antragstellerin zu 2) und die weiteren Beteiligten tragen ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst.
Der Geschäftswert wird bis zur Verbindung der beiden Verfahren auf jeweils 50.000 Euro festgesetzt, danach auf 100.000 Euro.
Tatbestand
Der Antragsgegner schrieb zwei Notarstellen für den Amtsgerichtsbezirk A. aus. Um diese Stellen bewarben sich die beiden Antragsteller sowie die beiden weiteren Beteiligten. Für den Antragsteller zu 1) ermittelte der Antragsgegner im Rahmen des Auswahlverfahrens nach den §§ 6 ff. AVNot Schl. H. 113,40 Punkten. Dabei rechnete er 15 Monate Zivildienst an. Tatsächlich hatte der Antragsteller zu 1) aber insgesamt 20 Monate Zivildienst geleistet. Für die Antragstellerin zu 2) ermittelte der Antragsgegner 100,05 Punkte. Der weitere Beteiligte zu 3) erreichte nach den Berechnungen des Antragsgegners 113,65 Punkte. Dabei berücksichtigte er 15 Monate Grundwehrdienst. Allerdings diente der Beteiligte zu 3) insgesamt 2 Jahre als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Für den weiteren Beteiligten zu 4) ermittelte der Antragsgegner 118,60 Punkte.
Mit Erlassen vom 7.5.2004 teilte er den Antragstellern übereinstimmend mit, er vermöge ihren Bewerbungen um die ausgeschriebenen Notarstellen nicht zu entsprechen, weil die beiden Mitbewerber im Rahmen des Auswahlverfahrens eine höhere Punktzahl erreicht hätten. Hiergegen richtet sich der Antrag beider Antragsteller auf gerichtliche Entscheidung. Sie machen geltend, die strikte Anwendung der AVNot Schl-H. in ihrer bisherigen Fassung sei mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG vom 20.4.2004 zu dem Az. 1 BvR 838/01 fehlerhaft. Der Antragsgegner habe insb. die Punktzahl aus dem 2. Staatsexamen durch den Vervielfältigungsfaktor 5 im Vergleich zu dem weiteren Aspekt der persönlichen und fachlichen Eignung zum Notar überproportional hoch bewertet. Er habe auch die vom BVerfG im Übrigen geforderte konkrete einzelfallbezogene Bewertung im Rahmen einer Prognose über Eignung, Befähigung und fachliche Leistungen des Bewerbers für das Amt des Notars unterlassen. Der Antragsteller zu 1) meint des Weiteren, bei verfassungskonformer Auslegung von § 1 der Landesverordnung über die Anrechnung von Zeiten nach § 6 Abs. 3 S. 4 BNotO müsste seine volle Zivildienstzeit von 20 Monaten berücksichtigt werden. Der Beteiligte zu 3) ist der Auffassung, dass bei ihm auch die weiteren 9 Monate freiwilliger Dienstzeit bei der Bundeswehr anzurechnen seien.
Entscheidungsgründe
I. Der Antragsgegner schrieb in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen 2003, 139 zwei Notarstellen für den Amtsgerichtsbezirk A. aus. Um diese Stellen bewarben sich die Antragsteller sowie die beiden weiteren Beteiligten.
Für den am 10.10.1966 geborenen Antragsteller zu 1) ermittelte der Antragsgegner im Rahmen des Auswahlverfahrens nach den §§ 6 ff. AVNot in Übereinstimmung mit dem Präsidenten des LG K. und dem Vorstand der Schl.-Holst. Notarkammer eine Punktzahl von 113,40 Punk...