Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der vorläufigen Betreuerbestellung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Bestellung eines vorläufigen Betreuers setzt nach § 69 f Abs. 1 Nr. 1 FGG voraus, dass mit der Aufschub der Anordnung der Betreuung Gefahr verbunden ist, d.h., es muss für den Betroffenen eine Gefahr bestehen, deren Abwendung hinsichtlich der bestimmten Aufgabenkreise keinen Aufschub duldet.

 

Normenkette

BGB § 1896; FGG §§ 69 f. Abs. 1 Nr. 1

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 25.01.2005; Aktenzeichen 3 T 25 + 38/05)

AG Rendsburg (Aktenzeichen 12-XVII 264/04)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Der Betroffenen wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten bewilligt.

 

Gründe

Nach Erstattung eines mündlichen Gutachtens durch die behandelnde Stationsärztin im Kreiskrankenhaus R. Dr. A. sowie Anhörung der Betroffenen und ihres Sohnes B. hat das AG am 29.12.2004 die Beteiligte durch einstweilige Anordnung bis zum 28.6.2005 zur vorläufigen Betreuerin der Betroffenen bestellt mit den Aufgabenkreisen der Vermögenssorge, Vertretung vor Ämtern und Behörden, Wohnungsangelegenheiten, Maßnahmen im Rahmen der Gesundheitssorge, des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Entscheidung über die Unterbringung. Ferner hat es die vorläufige Unterbringung der Betroffenen bis zum 8.2.2005 genehmigt. Das LG hat die hiergegen gerichteten Beschwerden der Betroffenen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss, auf den zur weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 49 bis 52 d.A.), hat die Betroffene weitere Beschwerde eingelegt, soweit es um die vorläufige Betreuerbestellung geht.

Die nach §§ 27, 29, 20 und 21 FGG zulässige weitere Beschwerde ist mit der tenorierten Folge begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts (§§ 27 FGG; 546 ZPO).

Das LG hat ausgeführt: Es bestünden dringende Gründe für die Annahme, dass die Voraussetzungen für eine Betreuerbestellung nach § 1896 BGB gegeben seien. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen leide die Betroffene an einer paranoiden Schizophrenie und habe keine Krankheitseinsicht. Die Art der Betroffenen zu leben sei nicht Folge einer freien Willensbildung, sondern ihrer Erkrankung. Sie sei auf Grund dessen zur Zeit nicht in der Lage, ihre Angelegenheiten in den genannten Aufgabenkreisen selbst zu regeln. Ohne Unterbringung würde sie die zur Behandlung notwendigen Medikamente nicht einnehmen. Nach den Angaben der Beteiligten sei die von der Betroffenen bewohnte Wohnung verwahrlost, es habe in der Wohnung keinen Strom gegeben und Post sei ungeöffnet liegen geblieben. Es bestehe auch kein Anlass, die Beteiligte zu entlassen und - wie von der Betroffenen vorgeschlagen - ihre Eltern zu Betreuern zu bestellen. Diese seien auf Grund ihres fortgeschrittenen Alters (...), der eingeschränkten körperlichen Beweglichkeit des Vaters und des Umfangs der zu regelnden Aufgaben als Betreuer nicht geeignet. Im Telefonat der Berichterstatterin mit dem Vater schienen Umfang und Bedeutung der Betreuung nicht erfasst worden zu sein.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht vollen Umfangs stand.

Allerdings sprechen entgegen der Auffassung der Betroffenen nach dem Sachverständigengutachten im Hinblick auf die Voraussetzungen des § 1986 Abs. 1 und 2 BGB dringende Gründe dafür, dass sie seit längerem an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist und infolgedessen derzeit ihren Willen nicht frei bestimmen kann. Die Sachverständige hat ihre Auffassung in einem jedenfalls für das einstweilige Verfahren ausreichenden Maße (Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 69 f. Rz. 9) auch begründet. Sie hat darauf hingewiesen, dass die Betroffene offensichtlich unter Angstzuständen leide und sich von den Zeugen Jehovas und Göttern verfolgt fühle. Zweifel an der Sachkunde der Sachverständigen bestehen nicht. Von der Einholung einer weiteren ärztlichen Stellungnahme durfte das LG deshalb ohne Verstoß gegen § 12 FGG absehen. Indessen setzt die Bestellung eines vorläufigen Betreuers nach § 69 f. Abs. 1 Nr. 1 FGG voraus, dass mit dem Aufschub der Anordnung der Betreuung Gefahr verbunden ist, d.h., es muss für die Betroffene eine Gefahr bestehen, deren Abwendung hinsichtlich der bestimmten Aufgabenkreise keinen Aufschub duldet (BayObLG FamRZ 2001, 935; Keidel/Kayser, § 69 f. Rz. 5). Hierzu finden sich im Beschluss des AG und in der angefochtenen Entscheidung keine Feststellungen, wobei zum Teil auch schon die Erforderlichkeit i.S.d. § 1896 Abs. 2 BGB einer weiteren Begründung bedarf.

In Bezug auf die Wohnungsangelegenheiten ist nicht ersichtlich, dass die Betroffene derzeit in irgendeiner Weise überhaupt gefährdet ist. Ihr ist im Hause ihres Sohnes B.. ein (offenbar dingliches) Wohnrecht eingeräumt, das dieser nicht in Frage stellt. Zwar war die Wohnung verwahrlost und gab es keinen Strom. Es ist jedoc...

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