Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Durchsuchungsanordnungen nach § 58 AufenthG

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für richterliche Durchsuchungsanordnungen nach § 58 AufenthG ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.

2. Eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit folgt nicht aus § 208 Abs. 4 LVwG, weil der Anwendungsbereich dieser Vorschrift weder auf Grundlage des § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO noch über § 58 Abs. 10 AufenthG eröffnet ist.

a) Es handelt sich nicht um einen Sachverhalt, der (zumindest auch) nach dem Landesrecht zu würdigen ist, wie es § 40 Abs. 1 S. 2 VwGO erfordert, vielmehr sind Durchsuchungsanordnungen zum Zwecke der Abschiebung in § 58 AufenthG durch eine spezialgesetzliche Bundesnorm geregelt.

b) Mit § 58 Abs. 10 AufenthG hat der Bundesgesetzgeber auch keine neben der allgemeinen Regelung des § 40 Abs. 1 VwGO gleichrangige eigenständige Zuständigkeitsregelung geschaffen, mit der es im Sinne einer Öffnungsklausel den Ländern jedenfalls ermöglicht wird, bereits bestehende Rechtswegregelungen für Wohnungsdurchsuchungen auf die Durchsuchung nach § 58 Abs. 6 bis 9 AufenthG zu erstrecken.

 

Normenkette

AufenthG § 58 Abs. 6-10; GVG § 17a; VwG SH § 208 Abs. 4; VwGO § 40 Abs. 1 S. 2

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 16.05.2023; Aktenzeichen 3 ZB 3/22)

 

Tenor

Die Entscheidung wird durch den Rechtsunterzeichnenden als Einzelrichter auf den Senat in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen.

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 06.05.2022 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Flensburg vom 05.05.2022 - 480 UR II 15/22 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit für unzulässig erklärt wird.

Von einer Kostenerhebung wird abgesehen.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit Schreiben vom 02.05.2022 (Eingang bei Gericht: 04.05.2022) beim Amtsgericht Flensburg beantragt, die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Betroffenen zur Nachtzeit, mit dem Ziel diesen aufzufinden, zu gestatten. Die beantragte Durchsuchung sei gemäß § 58 Abs. 6-8 AufenthG zum Zwecke der Durchführung einer Abschiebung erforderlich.

Das Amtsgericht Flensburg hat sich mit der angegriffenen Entscheidung vom 05.05.2022 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Schleswig verwiesen. Für Durchsuchungen zum Zwecke der Abschiebung auf Grundlage des § 58 AufenthG sei der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde vom 06.05.2022. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit ergebe sich aus § 208 Abs. 5 LVwG (seit 19.03.2021: § 208 Abs. 4 LVwG), der auch anwendbar sei. Auf die Begründung wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Entscheidung vom 09.05.2022 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

Zur Entscheidung über das Rechtsmittel ist gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 1.b) GVG das Oberlandesgericht berufen.

Gegen einen Beschluss durch den der beschrittene Rechtsweg für unzulässig erklärt wird, ist nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG die sofortige Beschwerde gegeben, im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gelten die §§ 567 ff. ZPO entsprechend. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist form- und fristgerecht bei dem zuständigen Oberlandesgericht eingelegt worden.

Für die Entscheidung über das Rechtsmittel ist gemäß § 568 S. 1 ZPO grundsätzlich der Einzelrichter des Senats berufen. Dieser überträgt das Verfahren dem Senat in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung, weil die Sache sowohl besondere Schwierigkeiten rechtlicher Art aufweist (§ 568 Satz 2 Nr. 1 ZPO) als auch von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 568 S. 2 Nr. 2 ZPO).

2. Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weshalb die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen ist, dass der beschrittene Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig zu erklären ist, § 17a Abs. 2 S. 1 GVG (vgl. Lückemann in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 17a GVG, Rn. 11).

Das Amtsgericht ist in der angegriffenen Entscheidung zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten nicht eröffnet und die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts begründet ist.

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ergibt sich aus § 40 Abs. 1 S. 1 HS 1 VwGO. Es handelt sich unzweifelhaft um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art (insoweit noch unstreitig: vgl. etwa OVG Schleswig, Beschluss vom 22. Juli 2020 - 4 O 25/20 -, Rn. 3, juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 10. März 2021 - 13 OB 102/21 -, Rn. 5, juris; OLG Oldenburg, Beschluss vom 04. November 2021 - 12 W 124/21 -, Rn. 10, juris).

Es bleibt auch bei der Zuständigkeit der Verwaltungsgerichtsbarkeit (ebenso OLG Ol...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge