Entscheidungsstichwort (Thema)
Identitätsnachweis der Mutter bei Beurkundung einer Geburt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beurkundung einer Geburt ohne einen Zusatz nach § 35 PStV kommt grundsätzlich nur dann in Betracht, wenn die nach § 33 PStV erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden.
2. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes ist es im gerichtlichen Verfahren zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, den Identitätsnachweis auch auf andere Weise als durch Vorlage eines gültigen oder erst kürzlich abgelaufenen Nationalpasses zu führen; an den Nachweis sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen.
3. Reiseausweise, die auf der Grundlage von Art. 28 des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge bzw. der entsprechenden Vorschrift in Art. 28 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen ausgestellt worden sind, haben eine weiter gehende Beweiskraft hinsichtlich der darin enthaltenen Personalien als andere von der Ausländerbehörde ausgestellte Dokumente.
4. Die genannten Reiseausweise sind für das Personenstandsverfahren einem Nationalpass gleichgestellt, wenn sie keinen Hinweis nach § 4 Abs. 6 S. 2 AufenthV enthalten.
Normenkette
PStV §§ 33, 35; PStG §§ 48-49, 51
Verfahrensgang
AG Flensburg (Beschluss vom 31.05.2013) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. bis 3. vom 18.6.2013 wird der Beschluss des AG Flensburg vom 31.5.2013 geändert.
Das Standesamt der Stadt F. wird angewiesen, den Geburtseintrag der Beteiligten zu 1. zur Registernummer 1184/2011 dahin zu berichtigen, dass der Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" bei den Angaben zur Kindesmutter gestrichen wird, sowie der Beteiligten zu 1. eine entsprechende Geburtsurkunde auszustellen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.
Den Beteiligten zu 1. bis 3. wird für das Verfahren in erster Instanz - insoweit unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses - sowie für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt (...) bewilligt. Die Zahlung von Raten wird nicht angeordnet.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1. bis 3. begehren die Ausstellung einer Geburtsurkunde für die Betroffene ohne einschränkenden Zusatz zu den Personalien der Kindesmutter.
Die Betroffene wurde am 22.5.2011 in F. geboren. Ihre Geburt wurde am 29.9.2011 zur Registernummer 1184/2011 des Standesamts F. beurkundet (Kopie des Geburtseintrages Bl. 6 d.A.). Die Beteiligten zu 2. und 3., die ihre Ehe am 29.4.2004 in Bov/Dänemark geschlossen haben, sind die Eltern der Betroffenen. Der Beteiligte zu 3. ist deutscher Staatsangehöriger. Die ihn betreffenden Angaben im Geburtseintrag stehen zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Die Beteiligten zu 1. bis 3. wenden sich dagegen, dass das Standesamt die Personalien der Beteiligten zu 2. - M. S., geb. K., geb. am 29.5.1977 in Baku/Aserbaidschan - nur mit dem erläuternden Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" aufgenommen hat.
Während die Geburt des älteren Geschwisterkindes D. S. im Jahre 2007 noch aufgrund der dänischen Heiratsurkunde der Eltern ohne erläuternden Zusatz beurkundet worden war (Bl. 18, 19 d.A.), sah das Standesamt sich daran nach den seit dem 1.1.2009 geltenden personenstandsrechtlichen Vorschriften gehindert. Zur Beurkundung der Geburt ohne die Einschränkung bei den Angaben zur Kindesmutter sei es nach § 33 PStV erforderlich, für sie einen Personalausweis, Reisepass oder ein anderes anerkanntes Passersatzpapier sowie ihre Geburtsurkunde mit Legalisation vorzulegen.
Über einen Pass oder ein anderes Ausweispapier ihres Herkunftslandes verfügt die Beteiligte zu 2. nicht. Die von ihr vorgelegte sowjetische Geburtsurkunde (Kopie Bl. 14 d.A., Übersetzung Bl. 40d. BA 4 A 23/11 VG Schleswig) ist nicht mit einer Legalisation oder Apostille versehen. Das Dokument ist nach den Erkenntnissen des Landesamtes für Ausländerangelegenheiten in Neumünster (Mitteilung vom 24.8.2009, Bl. 55d. BA), die auf der Urkundenüberprüfung durch die deutsche Botschaft in Baku beruhen (Schreiben der Botschaft vom 9.7.2009, Bl. 57 f. d. BA), echt. Es weist Spuren von Veränderungen auf, allerdings nicht in den Kerndaten zur Identität. Dies gilt auch für die Geburtsurkunden der Brüder der Beteiligten zu 2., A. und M. K.. Die Geburtsurkunde der Mutter L. K. und ihre Heiratsurkunde (Kopien Bl. 94 ff. d. BA) sind ebenfalls echt und weisen keine Veränderungen auf.
Die Beteiligten zu 1. bis 3. haben mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27.11.2012 beim AG Flensburg beantragt, ihnen Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und das Standesamt zur Ausstellung einer Geburtsurkunde anzuweisen, bei der der Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" bei der Kindesmutter gestrichen wird. Sie haben u.a. den Reiseausweis für Staatenlose vorgelegt, den die Ausländerbehörde der Stadt F. für die Beteiligte zu 2. am 2.7.2012 auf den Namen M. S., geboren am 29.5.1977 in Baku, ausgeste...