Leitsatz (amtlich)
1. § 17 GBO findet auch dann Anwendung, wenn einer von mehreren Anträgen auf die Eintragung eines Widerspruchs nach § 899 BGB gerichtet ist.
2. Das Grundbuchamt darf grundsätzlich nicht daran mitwirken, durch seine Eintragungstätigkeit einen Rechtserwerb herbeizuführen, der nur kraft guten Glaubens eintreten kann.
3. Die gesetzliche Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB gilt auch für das Bestehen einer Vormerkung zugunsten des eingetragenen Berechtigten, wenn der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch unstreitig oder bewiesen ist.
4. die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB ist widerlegt, wenn für das Grundbuchamt aufgrund der Eintragungsunterlagen und der hieraus gewonnenen Erkenntnisse oder aufgrund anderer ihm bekannt gewordener Umstände feststeht oder glaubhaft ist, dass der Vormerkungsberechtigte bei dem Erwerb der Vormerkung bösgläubig war.
5. Wer eine Nichtberechtigung des Veräußerers lediglich für möglich hält, ist nicht bösgläubig i.S.d. § 892 Abs. 1 BGB.
6. Der Vollrechtserwerb des Vormerkungsberechtigten wird nicht dadurch verhindert, dass er nach dem Erwerb der Vormerkung bösgläubig wird.
Verfahrensgang
LG Lübeck (Beschluss vom 22.08.2003; Aktenzeichen 7 T 374/03) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss des AG Bad Schwartau - Grundbuchamt - vom 27.6.2003 i.d.F. des Nichtabhilfebeschlusses vom 15.7.2003 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte zu 1) trägt die Kosten des Erst- und Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beteiligten zu 2) und 3) nach einem Geschäftswert von 60.000 Euro.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die Tochter des Beteiligten zu 2) und der am 22.9.2001 verstorbenen Frau D. (im Folgenden: Erblasserin). Der Beteiligte zu 2) und die Erblasserin waren seit dem Jahre 1994 je zur ideellen Hälfte Miteigentümer des im Grundbuch von Timmendorfer Strand Bl. 4510 eingetragenen Grundbesitzes. Sie hatten am 18.9.1996 ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt hatten. Aufgrund dieses Testaments wurde der Beteiligte zu 2) nach dem Tode der Erblasserin am 23.4.2002 als Alleineigentümer der Miteigentumshälfte aus dem Nachlass der Erblasserin (im Folgenden: Miteigentumshälfte der Erblasserin) in das Grundbuch eingetragen. Die Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, das gemeinschaftliche Testament v. 18.9.1996 sei unwirksam, weil die Erblasserin am 18.9.1996 nicht mehr testierfähig gewesen sei; daher seien der Beteiligte zu 2) und sie kraft Gesetzes je zur Hälfte Erben der Erblasserin und damit auch je zur Hälfte Eigentümer ihres Miteigentumsanteils geworden. Die Beteiligte zu 1) erwirkte deshalb am 10.10.2002 beim AG Bad Schwartau (als AG der belegenen Sache) eine einstweilige Verfügung auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eintragung des Beteiligten zu 2) als Alleineigentümer der Miteigentumshälfte der Erblasserin. Der Widerspruch wurde am 21.10.2002 in das Grundbuch eingetragen. Gegen die einstweilige Verfügung des AG legte der Beteiligte zu 2) am 30.10.2002 Widerspruch ein. Mit Urteil vom 10.1.2003 hob die 5. Zivilkammer des LG Lübeck die einstweilige Verfügung mit der Begründung auf, die Beteiligte zu 1) habe eine Testierunfähigkeit der Erblasserin für den 18.9.1996 nicht glaubhaft gemacht. Daraufhin wurde der Widerspruch gegen die Eintragung des Beteiligten zu 2) als Alleineigentümer der Miteigentumshälfte der Erblasserin am 22.4.2003 im Grundbuch gelöscht.
Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 22.4.2003 verkaufte der Beteiligte zu 2) die Miteigentumshälfte der Erblasserin an den Beteiligten zu 3) In derselben Urkunde beantragten und bewilligten die Beteiligten zu 2) und 3) die Eintragung einer Auflassungsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 3), erklärten die Auflassung der Miteigentumshälfte und beantragten und bewilligten die Eintragung der Eigentumsänderung im Grundbuch. Der Kaufvertrag enthält in den §§ 1 und 2 den Hinweis auf das damals im Berufungsverfahren beim 3. Zivilsenat des OLG Schleswig anhängige einstweilige Verfügungsverfahren zwischen den Beteiligten zu 1) und 2). In § 2 des Kaufvertrags heißt es, der Beteiligte zu 3) werde den Beteiligten zu 2) von allen Ansprüchen der Beteiligten zu 1. freihalten, die sich daraus ergeben könnten, dass die Beteiligte zu 1) "prozessual erfolgreich feststellen lässt, dass kein wirksames Testament der Eheleute D. (Beteiligten zu 2) und der Erblasserin) vorliegt, sondern gesetzliche Erbfolge eingetreten ist. Der Antrag auf Eintragung der Auflassungsvormerkung ging am 24.4.2003 beim Grundbuchamt ein. Die Auflassungsvormerkung wurde am 7.5.2003 in das Grundbuch eingetragen.
Am 6.6.2003 ist der Antrag auf Eintragung des Beteiligten zu 3) als Eigentümer der Miteigentumshälfte der Erblasserin beim Grundbuchamt eingegangen. Das Grundbuchamt hat noch am selben Tag die Eintragung der Eigentumsänderung verfügt. Mit Urteil vom 17.6.2003 hob der 3. Zivilsenat des OLG Schleswig das Ur...