Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärungspflichten der Bank beim Aktienzertifikatkauf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Trotz der aufsichtsrechtlichen Neuregelung der produktbezogenen Aufklärungspflicht bei der Anlageberatung in § 31 Abs. 3 WpHG n.F. (seit dem 1.11.2007) bleiben die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze zur anlage- und anlegergerechten Beratung weiterhin gültig.

2. Die Aufklärung im Rahmen der objektbezogenen Anlageberatung muss nicht ausschließlich mündlich erfolgen, sondern kann wahlweise auch oder sogar ausschließlich in schriftlicher Form durchgeführt werden.

3. Eine Aufklärungspflicht der Bank über versteckte Provisionen und Rückvergütungen setzt immer ein Dreipersonenverhältnis voraus, bei dem die Bank dem Anleger das Produkt eines Dritten vermittelt. An einem solchen Dreipersonenverhältnis fehlt es, wenn die Bank Wertpapiere (hier Aktienzertifikate) aus ihrem Eigenbestand als sog. Festpreisgeschäft (zu einem außerbörslichen Ausführungskurs) an den Kunden verkauft.

4. Eine Bank ist gem. §§ 31 WpHG, 667 BGB nicht verpflichtet, bei ihr vorhandene bzw. gespeicherte Gesprächsprotokolle oder Datenerfassungsbögen heraus zu geben. Den allgemeinen Verhaltensregeln des WpHG kommt zwar eine anlegerschützende Funktion zu, jedoch begründet die aufsichtsrechtliche Dokumentationspflicht keinen Herausgabeanspruch.

5. Für die bei fehlerhafter Anlageberatung wegen unterlassener mündlicher Risikoaufklärung weiterhin anzuwendende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens ist dann kein Raum, wenn der Anleger die schriftlichen Produktinformationen mit ausdrücklichen Risikohinweisen unstreitig nicht gelesen hat und im Rahmen der Geldanlage auch die "steuerliche Optimierung" eine Rolle gespielt hat.

 

Normenkette

BGB § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1; ZPO § 142 Abs. 1, § 448; WpHG § 31 Abs. 3; BDSG § 34 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 25.08.2010; Aktenzeichen 2 O 21/10)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin vom 29.9.2010 gegen das am 25.8.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des LG Lübeck wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

Der Berufungsstreitwert wird auf 45.361,67 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin beansprucht von der Beklagten die Zahlung von Schadenersatz i.H.v. 45.361,67 EUR wegen behaupteter Falschberatung im Jahr 2007 aus Wertpapiergeschäften (Aktienzertifikate).

Die Berufung hat i.S.v. § 522 Abs. 2 ZPO keine Aussicht auf Erfolg. Auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Der Senat hat die Klägerin bereits mit Beschluss vom 8.2.2011 auf die Erfolglosigkeit ihrer Berufung aus nachfolgenden Gründen hingewiesen:

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb der streitgegenständlichen Zertifikate gem. §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Eine Pflichtverletzung der Beklagten aus Beratungsvertrag hat die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Klägerin nicht schlüssig dargelegt. Eine Beweiserhebung ist nicht erforderlich. Selbst bei Annahme einer entsprechenden Aufklärungspflichtverletzung wäre die Kausalitätsvermutung für ein aufklärungsrichtiges Verhalten durch die eigene Einlassung der Klägerin widerlegt.

1. Durch den Beratungsvertrag ist eine Bank grundsätzlich zu einer anleger- und anlagegerechten Beratung des Kunden verpflichtet. Zu den Umständen in der Person des Kunden gehören insbesondere dessen Wissensstand über Anlagegeschäfte der vorliegenden Art und seine Risikobereitschaft. Zu berücksichtigen ist also vor allem, ob es sich bei dem Kunden um einen erfahrenen Anleger mit einschlägigem Fachwissen handelt und welches Anlageziel der Kunde verfolgt. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung dieses Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Kunden zugeschnitten, also "anlegergerecht" sein (vgl. OLG Düsseldorf vom 16.12.2010 - 6 U 191/09 zitiert in juris Rz. 47).

In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Dabei ist zwischen den allgemeinen Risiken (z.B. Konjunkturlage, Entwicklung des Börsenmarktes) und den speziellen Risiken zu unterscheiden, die sich aus den individuellen Gegebenheiten des Anlageobjekts (z.B. Kurs-, Zins-, Währungs- und Emittentenrisiko ergeben). Die Beratung muss richtig und sorgfältig sein und zeitnah über alle Umstände unterrichten, die für das Anlagegeschäft von Bedeutung sind (BGH WM 1993, 1455 ff.; OLG Düsseldorf vom 16.12.2010, a.a.O., juris Rz. 47). Aufsichtsrechtlich ist die produktbezogene Aufklärungspflicht bei der Anlageberatung seit Inkrafttreten des Finanzmarktrichtlinie- Umsetzungsgesetzes (FRUG; vgl. BGBl. I S. 1330) nunmehr (d.h. mit Wirkung seit dem 1.11.2007) in § 31 Abs. 3 WpHG geregelt. Dieser aufsichtsrechtlichen Verhaltungspflicht mag zwar eine gewisse zivilrechtliche Bedeutung zukommen, gleichwohl hängen Aufklärungs- und Beratungspflichten entscheidend von den konkreten Interessen und vom Willen der...

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