Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungszeitraum im Stromversorgungsverhältnis; Voraussetzungen für Zahlungsverzug des Verbrauchers
Leitsatz (amtlich)
1. Nach den gängigen Stromversorgungsbedingungen ist grundsätzlich jährlich abzurechnen. Kürzere Abrechnungszeiträume sind nur in den ausdrücklich vorgesehenen Ausnahmefällen zulässig.
2. Zahlungsverzug des Verbrauchers tritt nicht schon mit Ablauf der in der Rechnung angegebenen Zahlungsfrist ein. § 17 StromGVV gewährt dem Stromversorger kein einseitiges Recht zur kalendermäßigen Bestimmung der Leistungszeit i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB. Es bedarf deshalb grundsätzlich noch der nach § 286 Abs. 1 BGB erforderlichen Mahnung (entgegen OLG Schleswig, Urt. v. 14.2.2013 - 16 U 74/10).
Normenkette
StrimGVV § 17; BGB § 286 Abs. 1, 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 27.06.2014; Aktenzeichen 2 O 76/14) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 27.6.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Lübeck wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Vergütung für Stromlieferungen in der Zeit vom 15.1.2011 bis zum 2.6.2013 nebst Zinsen. Der Vergütungsbetrag beläuft sich auf insgesamt 29.179,49 EUR. Den größten Teil i.H.v. 25.647,42 EUR hat der Beklagte nach Klageerhebung anerkannt und gezahlt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.
Den streitgegenständlich gebliebenen Vergütungsanspruch über 3.531,77 EUR hat das LG abgewiesen. Er betrifft den Abrechnungszeitraum vom 6.2. bis zum 2.6.2013. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, dass nur für ein ganzes Jahr hätte abgerechnet werden dürfen. Die Forderung sei deshalb nicht fällig.
Das LG hat der Klägerin außerdem nur einen Anspruch auf Rechtshängigkeitszinsen aus § 291 BGB auf den anerkannten Teilbetrag für die Zeit zwischen Klageerhebung (10.4.2014) und Zahlung (22.5.2014) zuerkannt. Verzugszinsen aus den §§ 288 Abs. 1, 187 Abs. 1 BGB für die Zeit davor stünden der Klägerin nicht zu, weil es an einer verzugsbegründenden Mahnung, einer stattdessen erforderlichen Vereinbarung über die Leistungszeit oder eines Hinweises nach § 286 Abs. 3 S. 1 BGB in der Rechnung fehle. Die Leistung sei auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB kalendermäßig bestimmt gewesen. Die einseitige Festlegung der Fälligkeit durch die Klägerin reiche nicht aus, weil sie nicht gem. § 315 BGB zur Bestimmung der Leistung berechtigt sei. Ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht stünde nach Auffassung des BGH nur rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts zu, die auf der Grundlage eines Anschluss- und Benutzungszwangs eine öffentliche Aufgabe wahrnähmen. Dies alles sei bei der Klägerin nicht der Fall. Der Klägerin sei auch durch § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV keine Befugnis zur einseitigen Bestimmung durch Gesetz eingeräumt worden, der hier allenfalls durch Verweisung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin gelte. Voraussetzung dafür wäre eine Begründung der Schuld durch Gesetz; hier aber sei die Schuld durch Vertrag begründet worden. Darüber hinaus folge aus § 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nur, dass der Versorger berechtigt sei, den Fälligkeitszeitpunkt zu bestimmen. Dies reiche zur Verzugsbegründung nicht aus. Dem Versorger habe damit nicht zugleich die Befugnis zu einer einseitigen Leistungsbestimmung i.S.d. § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB eingeräumt werden sollen, sofern - was offen bleiben könne - eine über § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB hinausgehende Befugnis zur einseitigen Leistungsbestimmung überhaupt durch Rechtsverordnung geregelt werden könnte.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihre Klage im Umfang der Klagabweisung weiter. Hinsichtlich des Vergütungsanspruchs über 3.531,77 EUR vertritt sie weiterhin die Auffassung, dass sie auch einen unterjährigen Abrechnungszeitraum habe wählen dürfen. Dies sei in einem großen Unternehmen wie dem ihrigen sinnvoll, um eine durchgehende Auslastung der Mitarbeiter über das gesamte Kalenderjahr zu erreichen. Ansonsten gäbe es Abrechnungsspitzen, für die eigens kurzzeitig Mitarbeiter eingestellt werden müssten. Verzugszinsen stünden ihr zu, weil ein Energieversorger nach § 17 StromGVV berechtigt sei, den Fälligkeitszeitpunkt für die abgerechneten Zahlungen festzulegen. Diese Festlegung stünde einer vertraglichen Vereinbarung der kalendermäßigen Bestimmtheit der Fälligkeit i.S.v. § 286 Abs. 2 Ziff. 1 BGB gleich. Der festgelegte Fälligkeitszeitpunkt ergebe sich aus den jeweiligen Rechnungen.
Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 3.531,77 EUR zu zahlen nebst Jahreszinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten ...