Verfahrensgang

LG Lübeck (Urteil vom 21.06.2006; Aktenzeichen 10 O 35/05)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 15.11.2007; Aktenzeichen IX ZR 212/06)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Lübeck vom 21.6.2006 geändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.112,92 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.1.2005 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagende Insolvenzverwalterin streitet mit der beklagten Bank, bei der vom Schuldner, einem Bauunternehmer, bis zum 16.8.2000 ein Girokonto mit einem Dispositionskredit von damals 10.000 DM (5.112,92 EUR) unterhalten wurde, um die Anfechtbarkeit der vollständigen Rückführung des vom Schuldner in voller Höhe in Anspruch genommenen Dispositionskredits durch Verrechnungen der Beklagten mit Zahlungseingängen, die zwischen dem 6.7.2000 und der vom Schuldner veranlassten Kontoauflösung am 16.8.2000 in das Konto eingestellt wurden.

Am 14.4.2000 ging bei dem AG Eutin ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Innungskrankenkasse Schleswig-Holstein (im Folgenden: IKK) über das Vermögen des Schuldners vom 12.4.2000 wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge von 57.151,60 EUR ein (Bl. 5 d.A.). Der Antrag wurde vom AG Eutin (Az. 3 IN 62/00) mangels Masse durch Beschluss vom 28.6.2000 (Bl. 6 d.A.) zurückgewiesen.

Das Girokonto des Schuldners wies am 6.7.2000 ein Soll von 11.738,68 DM auf. In der Folgezeit ist das dem Schuldner gewährte Darlehen durch die Verrechnung von Gutschriften durch die Beklagte bis zu der vom Schuldner selbst veranlassten Kontoauflösung am 16.8.2000 vollständig zurückgeführt worden. In diesem Zeitraum ließ die Beklagte Verfügungen des Schuldners jedenfalls im Rahmen des Dispositionskredits von 10.000 DM zu. Bei Auflösung am 16.8.2000 wies das Girokonto unstreitig ein Guthaben des Schuldners auf, das in zweiter Instanz auf rd. 5.000 DM konkretisiert wurde.

Der Schuldner teilte unter dem 9.10.2000 der Stadt Neustadt in Holstein die Aufgabe seines Gewerbes "Maurer und Betonbauer-Handwerk" zum 6.10.2000 mit und gab als Grund für die Betriebsaufgabe wirtschaftliche Schwierigkeiten an (Bl. 51 d.A.). Einem von der Klägerin vorgelegten Bescheid des Arbeitsamts Lübeck vom 23.10.2000 (Bl. 52 d.A.) kann entnommen werden, dass der Insolvenzschuldner vom 7.10.2000 bis zum 20.10.2000 Arbeitslosengeld bezogen hat und die Zahlung vom Arbeitsamt eingestellt wurde unter Hinweis auf einen "erschöpften Anspruch".

Das AG Eutin hat mit Beschluss vom 26.9.2003 zum Az. 3 IN 340/03 aufgrund eines kurz vorher gestellten Eigenantrages die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners beschlossen und die Klägerin zur Insolvenzverwalterin bestellt.

Die Klägerin hat die Beklagte mit Schreiben vom 27.12.2004 zur Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Betrages unter Fristsetzung bis zum 14.1.2005 aufgefordert (Bl. 8 d.A.). Die mit klägerischem Schriftsatz vom 20.9.2006 vorgelegte Übersicht der Klägerin über die in dem Insolvenzverfahren angemeldeten Tabellenforderungen (Bl. 122 ff. d.A.) weist angemeldete Forderungen i.H.v. 589.009,81 EUR und festgestellte Forderungen im Umfang von 471.962,45 EUR aus.

Die Klägerin hat behauptet:

Die Beklagte habe gewusst, dass im anfechtungsrelevanten Zeitraum laufend Rücklastschriften mangels Deckung vorgenommen worden seien und der Insolvenzschuldner nicht mehr in der Lage gewesen sei, regelmäßig seine Mitarbeiter zu bezahlen. Der den Antrag abweisende Beschluss vom 28.6.2000 sei zeitnah veröffentlicht worden, so dass von der Kenntnis der Beklagten auszugehen sei. Es sei nach der Betriebsaufgabe keine Erholung des Gemeinschuldners eingetreten und es seien aus der Bautätigkeit des Insolvenzschuldners vor dem Antrag der IKK stammende Forderungen i.H.v. über 500.000 EUR angemeldet worden, wovon der Großteil bereits anerkannt und festgestellt worden sei. Der Gemeinschuldner habe sich nach Aufgabe des Betriebes arbeitslos gemeldet und beziehe seit dem Jahr 2000 Arbeitslosengeld bzw. Arbeitslosenhilfe.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.112,92 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 15.1.2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen:

Eine Anfechtbarkeit scheide jedenfalls deshalb aus, weil es sich um Bargeschäfte nach § 142 InsO handele. Der Antrag der IKK sei für die Anfechtung nicht maßgeblich, weil die Eröffnung aufgrund des späteren Antrags nicht unverzüglich gewesen sei. Im Rahmen der teleologischen Auslegung von § 139 Abs. 2 InsO müsse ein enger, zeitlicher Zusammenhang zwisc...

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