Leitsatz (amtlich)
Eine tagesgültige Aktien-Verkaufsorder ist nur an dem aktuellen Tag auszuführen. Die Bank kann sich bei einem Verkauf am folgenden Börsentag nicht darauf berufen, der Kurs sei gestiegen.
Verkauft eine Bank gegen den Willen des Kunden Aktien, so ist dieser verpflichtet, mit dem Geld aus dem Verkauf zur Schadensminderung einen Deckungskauf zu tätigen.
Orientierungssatz
Aktienverkauf gegen den Willen des Bankkunden
Normenkette
BGB § 254; pVV
Beteiligte
Rechtsanwälte Dres. Tischler, Carstensen, Schulz und Punke |
Rechtsanwälte Petersen, Dr. Peters, Grimm, von Hobe, Dr. Petersen und Schober |
die Geschäftsführer Christian Jessen, Hans-Joachim Nitschke und Bernt Weber |
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 18.11.1998; Aktenzeichen 2 O 139/98) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18. November 1998 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe (2 O 139/98) geändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 200 GS-Gutschriften über die Aktien mit der Wertpapierkennummer 568480, EM TV & Merchandising AG zu erteilen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 92 %, die Beklagte 8 %
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 80.000 DM abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet; der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 18.000 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert der Beschwer beträgt für die Beklagte 72.000 DM, für den Kläger 414.000 DM.
Tatbestand
Der Kläger begehrt Verurteilung der Beklagten zum Ankauf von Wertpapieren zu seinen Gunsten.
Der Kläger war Inhaber von 50 Aktien „EM TV & Merchandising AG”, WKN 568480, die er im Sammeldepot der Beklagten verwahrte. Am Freitag, den 16. Januar 1998 erteilte der Kläger der Beklagten gegen 12.00 Uhr telefonisch den Auftrag, die Aktien
„bestens – Börse Stuttgart – tagesgültig – variabel”
zu verkaufen. Versehentlich wurde bei der Beklagten aufgenommen
„bestens – Börse Stuttgart – Verkauf Kasse”.
Durch einen Fehler der Beklagten wurde dieser Order zur Kasse für den darauffolgenden Montag, den 19. Januar 1998 plaziert. Der Verkauf wurde am Montag, den 19. Januar 1998 zu einem Kurs je Aktie von 64 DM durchgeführt. Nach Abzug von Gebühren und Provision wurden dem Kläger 3.177,44 DM gutgeschrieben. Bei einer Ausführung der Order am 16. Januar 1998 wäre ein Kurs von 59 DM je Aktie erzielt worden.
Der Kläger hatte sich gegen 18.00 Uhr am Freitag, 16. Januar 1998, telefonisch bei der Beklagten danach erkundigt, ob die Order zur Ausführung gelangt sei, was verneint wurde. Am 20. Januar 1998 erhielt der Kläger die Abrechnung über den durchgeführten Auftrag. Am Morgen des 21. Januar forderte der Kläger die Beklagte zur entsprechenden Stornierung und Wiedereinbuchung auf. Mit Schreiben vom 27. Januar 1998 und 20. Februar 1998 wiederholte der Kläger sein Begehren. Auch diesen Aufforderungen kam die Beklagte nicht nach.
Im Laufe des Verfahrens ist die Aktie zweimal gesplittet worden. Zunächst ist dies im Verhältnis 1: 2 geschehen, sodann im Verhältnis 1: 25. Insgesamt ist damit eine Splittung 1: 50 erfolgt. Eine der in dieser Form gesplitteten Aktien hat zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung einen Wert von ca. 90 Euro.
Der Kläger hat vorgetragen, er sei bei dem Anruf am Abend des 16. Januar 1998 davon ausgegangen, daß die Order deshalb nicht ausgeführt worden sei, weil es an diesem Tag keine Verkaufsmöglichkeiten mehr in Stuttgart gegeben habe. Dies sei im Wertpapiergeschäft nicht ungewöhnlich; auch sei der Umsatz in diesem Wertpapier in den Wochen zuvor klein gewesen. Daß der nur für einen Tag gültige Auftrag nicht zur Ausführung komme, habe voll und ganz seiner neu gefaßten Geschäftsabsicht entsprochen. Ihm hätten nämlich neue Börseninformationen vorgelegen, wonach es sinnvoll gewesen sei, die Aktien zu halten. Wenn sein Auftrag am 16. Januar durchgeführt worden wäre, hätte er die Aktien aufgrund seiner neuen Börseninformation am 19. Januar umgehend zurückgekauft. Dies habe er deshalb nicht getan, weil er berechtigt davon ausgegangen sei, daß sich seine Aktien nach wie vor in seinem Depot befänden.
Die Beklagte sei von seinen bestimmten Weisungen abgewichen, am 16. Januar zu verkaufen. Der Schaden bestehe in dem Verlust der wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis. Er habe seine sachenrechtliche Verfügungsbefugnis über die Wertpapiere verloren und auch sein aktienrechtliches Stimmrecht. Da es bereits im erstinstanzlichen Verfahren zu einer Splittung der Aktie im Verhältnis 1: 2 gekommen sei, hat der Kläger demgemäß beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 100 GS-Gutschriften über die Aktien mit der Wertpapierkennummer 568480, EM TV & Merchandising AG Zug um Zug gegen Zahlung von 3.177,44 DM zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweise...