Leitsatz (amtlich)
1. Die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers auf Rückerstattung von in der Krise vorgenommenen Auszahlungen gem. § 64 Abs. 2 GmbHG und Ansprüche aus Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) können miteinander konkurrieren.
2. Richten sich beide Ansprüche gegen den GmbH-Geschäftsführer, ist diesem auch ggü. den Ansprüchen aus Insolvenzanfechtung zugleich mit der Verurteilung zur Rückerstattung der der Masse entzogenen Werte die Verfolgung derjenigen Ansprüche vorzubehalten, die nach Rang und Höhe den durch seine Handlung begünstigten Insolvenzgläubigern im Insolvenzverfahren zugestanden hätten (im Anschluss an BGH v. 8.1.2001 – II ZR 88/99, BGHZ 146, 264 ff. = MDR 2001, 401 = BGHReport 2001, 197 = GmbHR 2001, 190 = AG 2001, 303 = ZIP 2001, 235 ff.).
3. Zur Aufrechnung mit einem Abfindungsanspruch im Insolvenzverfahren.
Normenkette
BGB §§ 387, 393, 626, 823; GmbHG § 32a a.F., §§ 32b, 64 Abs. 2; InsO §§ 53, 61, 95, 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Aktenzeichen 13 O 121/01) |
Nachgehend
Tenor
Auf die wechselseitigen Berufungen des Klägers und des Beklagten gegen das am 26.2.2002 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen III des LG Lübeck – 13 O 121/01 – wird dieses wie folgt abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 218.176,51 Euro (426.716, 16 DM) nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 18.7.2001 zu zahlen. Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.
Dem Beklagten bleibt vorbehalten, nach Zahlung des ausgeurteilten Betrages seine Gegenansprüche, die sich nach Rang und Höhe mit dem Betrag decken, den die begünstigten Gesellschaftsgläubigern im Insolvenzverfahren erhalten hätten, gegen den Insolvenzverwalter bis zur Höhe von 51.271,39 Euro (100.278,12 DM) zu verfolgen.
Die weiter gehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben der Beklagte 95 % und der Kläger 5 % zu tragen. Die Kosten des zweiten Rechtszuges fallen dem Kläger zu 3 % und dem Beklagten zu 97 % zur Last.
Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Jedoch kann der Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistungen i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat. Ebenso kann der Kläger die Vollstreckung des Beklagten wegen seiner Kosten gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Die Revision des Klägers wird zugelassen.
Tatbestand
Der klagende Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Verlags GmbH, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte war, begehrt Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 447.549, 49 DM, da in Höhe dieses Betrages der Beklagte in unzulässiger Weise Forderungen der Insolvenzschuldnerin auf ein im Namen des von ihm betriebenen J. Verlages eingerichtetes Konto eingezogen habe. Der Beklagte rechnet hilfsweise mit Gehaltsansprüchen auf, da er eine ihm ggü. nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 21.6.2001 ausgesprochene fristlose Kündigung vom 12.7.2001 für unberechtigt hält.
Zu dem im Wesentlichen unstreitigen Forderungseinzug war es gekommen, nachdem vor Insolvenzeröffnung die Hauptgläubigerin der A. Verlags GmbH einen Pfändungs-und Überweisungsbeschluss betreffend der Geschäftskonten bewirkt hatte. Aus den eingezogenen Beträgen befriedigte der Beklagte zum Teil kleinere Gesellschaftsgläubiger, zum Teil aber auch eigene Forderungen gegen die spätere Insolvenzschuldnerin. Hierbei wies das fragliche Konto nach Insolvenzeröffnung eine Unterdeckung i.H.v. 246.710,15 DM auf.
Das LG hat der Klage bis auf einen Teilbetrag von 9.126,56 Euro (17.850 DM), in dessen Höhe es die Aufrechnung des Beklagten mit ihm bis zur als wirksam erachteten Kündigung zustehenden Gehaltsansprüchen für wirksam gehalten, aus § 64 Abs. 2 GmbHG stattgegeben, dem Beklagten aber zugleich die Verfolgung von Gegenansprüchen bis zur Höhe von 179.610,01 Euro mit den begünstigten Insolvenzgläubigeren zustehendem Rang und Höhe vorbehalten.
Mit ihren wechselseitigen Berufungen wenden sich der Kläger gegen den Ausspruch des Vorbehalts zugunsten des Beklagten sowie – wie der Kläger meint – gegen die Nichtberücksichtigung des Insolvenzanfechtungsrechts und der Beklagte gegen die Nichtberücksichtigung weiterer Gehaltsansprüche.
Die Berufung des Klägers hatte zum Teil, die Berufung des Beklagten nur in geringem Umfange Erfolg.
Entscheidungsgründe
I. Der Kläger, Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Verlags GmbH in L., deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte war, begehrt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 21.6.2001 vom Beklagten die Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 447.549,49 DM zzgl. anteiliger Zinsen ab dem 18.7.2001, da in Höhe jedenfalls diesen Betrages der Beklagte unzulässiger Weise ab dem 29.5.2001 Forderungen aus Lieferungen und Lei...