Entscheidungsstichwort (Thema)
Überzeugungsbildung von einer Unfallmanipulation
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Beantwortung der Frage, ob ein Unfallgeschehen manipuliert ist, bedarf es einer Gesamtwürdigung aller für und gegen ein manipuliertes Geschehen sprechender Tatsachen und Indizien.
2. Dass der verklagte Haftpflichtversicherer den Nachweis einer Bekanntschaft zwischen Schädiger und Geschädigten nicht führen kann, steht der Überzeugungsbildung von einer Unfallmanipulation nicht entgegen.
Normenkette
StVG § 18; PflVG § 3; ZPO § 286
Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 25.09.2009) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten zu 1) wird das am 25.9.2009 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Flensburg geändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem vermeintlichen Unfall vom 13.5.2006 in A. in Anspruch.
Zweitinstanzlich ist unstreitig, dass es zwischen dem in der "X-Straße" geparkten BMW 530d, seinerzeitiges amtliches Kennzeichen ... und dem von dem Beklagten zu 2) gelenkten, der Firma Autovermietung B. GmbH gehörenden und seinerzeit bei der Beklagten zu 1) gegen Haftpflichtschäden versicherten Ford Ka, amtliches Kennzeichen ..., zu einer Kollision gekommen ist. Die Beklagte zu 1) beruft sich zweitinstanzlich allein noch darauf, dass es sich um ein manipuliertes Geschehen gehandelt habe.
Das LG hat der auf Zahlung von 5.738,61 EUR nebst Zinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten gerichteten Klage nach umfänglicher Beweisaufnahme stattgegeben. Zur Begründung hat es in dem angefochtenen Urteil im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin stünde ein Anspruch aus § 18 StVG i.V.m. § 3 PflVG a.F. aus abgetretenem Recht ihres Bruders, des Zeugen E., zu. Sämtliche für ein manipuliertes Unfallgeschehen sprechende Umstände seien nachvollziehbar aufgeklärt und erklärt.
Die Beklagte zu 1) rügt - unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens -, das LG habe keine ordnungsgemäße, jedenfalls keine haltbare Gesamtwürdigung der Umstände, die für ein manipuliertes Unfallgeschehen sprächen, vorgenommen.
Sie beantragt - zugleich als Nebenintervenientin des Beklagten zu 2) - wie erkannt, während die Klägerin unter Verteidigung des angefochtenen Urteils auf Zurückweisung der Berufung anträgt.
Der Senat hat ergänzend die Klägerin persönlich gem. § 141 ZPO angehört, zudem die Zeugen E. und R. vernommen.
Wegen des Inhalts der Anhörung und der Zeugenvernehmung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 3.6.2010 verwiesen.
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen aus dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten zu 1) ist begründet.
Das angefochtene Urteil leidet an Rechtsfehlern, zudem gebieten die zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche weder aus § 18 StVG i.V.m. § 3 PflVG a.F. noch aus einem anderen Rechtsgrunde zu. Denn es steht zur Überzeugung des Senats fest (§ 286 ZPO), dass es sich bei der Kollision vom 13.5.2006 nicht um einen Unfall im Rechtssinne, sondern vielmehr um ein manipuliertes Geschehen zur Erlangung von Leistungen aus der für das von dem Beklagten zu 2) angemietete Fahrzeug bestehenden Haftpflichtversicherung handelt.
Ansprüche aus §§ 18 StVG, 3 PflVG a.F. (hier i.V.m. §§ 398 ff. BGB) setzen einen "Unfall" im Rechtssinne voraus, also ein plötzliches, von außen kommendes Ereignis, an dem es fehlt, wenn eine Einwilligung des Geschädigten vorliegt. Lässt sich eine solche feststellen, kommt es auf die umstrittene Frage, ob § 152 VVG a.F., wonach die Haftung des Versicherers ausgeschlossen ist, wenn der Versicherungsnehmer den Schaden vorsätzlich und rechtswidrig herbeigeführt hat, trotz der Regelung in § 3 Nr. 4 und 5 PflVG a.F. auch für den Bereich der Kraftfahrzeug-Pflichtversicherung anwendbar ist, nicht an.
Beweisbelastet für das Vorliegen einer Einwilligung - hier des Zeugen E. als Eigentümer des BMW 530d - ist die Beklagte zu 1).
Dabei kann nach ständiger Rechtsprechung der Beweis einer Unfallmanipulation im Einzelfall durch den Nachweis einer ungewöhnlichen Häufung von Beweisanzeichen, die für eine Unfallmanipulation sprechen, erbracht werden, während ein Anscheinsbeweis für eine Einwilligung allenfalls in Ausnahmefällen denkbar ist (vgl. BGHZ 71, 339 ff.; OLG Hamm NJW-RR 1987, 1239 ff.), ohne dass hier ein derartiger Ausnahmefall erkennbar wäre. Andererseits fehlt es der im Haftpflichtprozess verklagten Versicherung regelmäßig an Einblicken in Motivation und Verhalten eines Anspruchsstellers, so dass für den Nachweis einer Unfallmanipulation die ungewöhnliche Häufung von Beweisanzeichen ausreicht. Die Überzeugungsbildung setzt dabei nicht immer eine mathematisch lückenlose Gewissheit voraus, sondern lediglich eine Gewissheit, die vernünftigen Zweifeln Schweigen gebietet.
So verhält es sich hier. Bei der ...