Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Notwegerente bei historisch begründetem Wegerecht
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Weg über ein Privatgrundstück seit langer Zeit als Zuwegung zwischen der öffentlichen Straße und einem Hinterliegergrundstück benutzt, kann das zur Bildung eines örtlich geltenden Gewohnheitsrechts führen.
2. Ein Anspruch auf Notwegerente besteht nicht, wenn das in Anspruch genommene Überwegungsrecht durch Gewohnheitsrecht begründet ist.
Normenkette
BGB § 917
Verfahrensgang
LG Kiel (Urteil vom 17.02.2006; Aktenzeichen 4 O 130/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers zu 1) und die Anschlussberufung des Beklagten gegen das am 17.2.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Kiel werden zurückgewiesen.
Die Kläger zu 2) und 3) tragen nach Rücknahme ihrer Berufung und Verlust ihres Rechtsmittels ihre im Berufungsverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten selbst. Von den übrigen Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 1) 93 % und der Beklagte 7 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger zu 1) begehrt von dem Beklagten die Zahlung einer Notwegerente, der Beklagte nimmt ihn widerklagend darauf in Anspruch, die Ausübung des Wegerechts an dem Grundstück der Klägerin zu 2), an dem dem Kläger zu 1) ein lebenslanges Nießbrauchsrecht zusteht, durch Versetzung eines Zauns in einer bestimmten Breite zu ermöglichen. Die Kläger zu 2) und 3) hatten ursprünglich mit dem Kläger zu 1) die Zahlung einer Notwegerente verlangt, den Rechtsstreit jedoch bereits erstinstanzlich in der Hauptsache in Übereinstimmung mit dem Beklagten für erledigt erklärt. Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien I. Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen.
Das LG hat Klage und Widerklage abgewiesen. Ein Anspruch auf eine Notwegerente scheitere an dem Umstand, dass der Kläger zu 1) das Grundstück bereits mit einem gewohnheitsrechtlich bestehenden Wegerecht belastet übernommen hätte. Auch die Widerklage hat das LG abgewiesen, weil nicht feststehe, dass das gewohnheitsrechtliche Wegerecht durch den Zaun beeinträchtigt werde und auch die Beeinträchtigung eines vertraglichen Wegerechtes durch diesen Zaun nicht angenommen werden könne.
Hiergegen richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers zu 1), der sich der Beklagte form- und fristgerecht angeschlossen hat.
Der Kläger zu 1) macht geltend:
Das Argument des LG, ein Notwegerecht liege schon deshalb nicht vor, weil die hinterliegenden Grundstücke auch von anderer Seite her erschlossen seien, treffe nicht zu. Die früher vorhandene Erschließung sei jedenfalls für das mittlere der hinterliegenden Grundstücke nicht mehr nutzbar.
Die anderweitige Erschließung könne auch nicht darin gesehen werden, dass auf dem Grundstück der Kläger ein gewohnheitsrechtlich begründetes Wegerecht laste. Solches sei zwar in den Vorprozessen angenommen worden, dies sei allerdings in anderem Zusammenhang und ohne Bindung für den vorliegenden Rechtsstreit geschehen. Es handele sich nicht um dieselben Prozessgegner wie im vorliegenden Fall.
Entscheidend sei, dass das gewohnheitsrechtlich begründete Wegerecht, welches im Vorprozess bejaht worden sei, nur für eine ganz genaue und bestimmte Belegenheit definiert worden sei, nämlich nur auf einer Breite von 3,30 m ab Grundstücksgrenze. Das aber habe mit dem konkret vom Beklagten in Anspruch genommenen Weg nichts zu tun. Dieser liege sehr viel weiter auf dem Grundstück der Klägerin zu 2), viel weiter weg von der Grundstücksgrenze und damit auf einem Bereich, wo ein gewohnheitsmäßiges Wegerecht nicht bestehe. Statt das gewohnheitsrechtliche Wegerecht in einer Breite von 3,30 m ab Grundstücksgrenze in Anspruch zu nehmen - was allerdings im Hinblick auf die Knickverordnung auf Schwierigkeiten stoßen könnte und jedenfalls erhebliche bauliche Maßnahmen voraussetzen würde - benutze der Beklagte andere Teile des Grundstücks. Er behaupte nun, gerade auf diese Benutzung angewiesen zu sein, weil er die Zufahrt in dem Bereich, in welchem das Vorgericht ein gewohnheitsrechtliches Wegerecht bejaht habe, rein tatsächlich nicht nutzen könne. Damit aber liege die Inanspruchnahme eines Notweges vor und bestünden die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Notwegerente.
Der Kläger zu 1) beantragt, die angefochtene Entscheidung zu ändern und nach dem für den Kläger zu 1) in der ersten Instanz zuletzt gestellten Antrag, wie er sich aus dem Tatbestand des angefochtenen Urteils ergibt, zu erkennen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen, sowie im Wege der Anschlussberufung den Kläger zu 1) zu verurteilen, dem Beklagten die Ausübung des Wegerechts an dem Weg auf der rechten Seite des Flurstücks - von der A-Str. in B. aus gesehen, in einer Breite von 3,30 m zu ermöglichen, und zwar gemessen vom Knickfuß bzw. Baumfüssen aus, und den Zaun, der die Breite des Weges schmälert, so weit zurückzusetzen, dass die Wegebreite vom Fuße des Knicks auf der rec...