Entscheidungsstichwort (Thema)
Notwegerecht zum Zwecke des Parkens
Leitsatz (amtlich)
Ein Hausgrundstück kann auch dann ordnungsgemäß im Sinne des § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB genutzt werden, wenn Pkw nicht auf dem Grundstück, sondern in der Nähe auf der Straße abgestellt werden können. Der Eigentümer des mit dem Notwegerecht belasteten Grundstücks muss Überfahrten der Grundstücksmieter zum Zwecke des Parkens auf dem begünstigten Grundstück nicht dulden.
Normenkette
BGB § 917 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 11.06.2020 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, nutzungsberechtigten Dritten die Fahrt mit Kraftfahrzeugen über das Grundstück A zum Zwecke des Parkens auf dem Grundstück B zu erlauben.
Der Beklagten wird für jede Zuwiderhandlung eine Verurteilung zu einem Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, angedroht.
Die Kosten des Rechtstreits haben die Kläger zu je 1/8, die Beklagte zu 3/4 zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund der Urteile gegen sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages leistet.
Die Streitwerte werden wie folgt festgesetzt:
1. Rechtszug 7.685,00 EUR
2. Rechtszug 3.000,00 EUR
Der Streitwertbeschluss des Landgerichts vom 16.04.2020 wird soweit abgeändert.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Notwegerechte.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke, wobei das Grundstück der Beklagten keinen eigenen Zugang zu einer öffentlichen Straße hat, sondern hinter dem klägerischen Grundstück liegt. Die Beklagte bewohnt das Grundstück nicht selbst, sondern hat es vermietet. Die Mieter fahren regelmäßig mit Autos über das klägerische Grundstück über die gepflasterte Zufahrt und parken ihre Fahrzeuge auf dem Grundstück der Beklagten. Im Baulastenverzeichnis der Stadt ist eine Baulast eingetragen zu Gunsten des Grundstücks der Beklagten, wonach eine Zuwegung in einer Breite von 3,5 bzw. 4,5 m zur Verfügung gestellt und im Bestand gesichert wird. Ein Wegerecht ist im Grundbuch nicht eingetragen. An der öffentlichen Straße stehen Parkplätze zur Verfügung.
Die Kläger haben von der Beklagten verlangt, es zu unterlassen, die Zufahrt über ihr Grundstück selbst oder durch Dritte zum Zwecke des Abstellens von Fahrzeugen oder sonst über den ordnungsgemäßen Gebrauch hinaus zu benutzen. Zudem haben sie beantragt, die Beklagten zur Zahlung einer Notwegerente sowie zu einer Beteiligung an den Unterhaltskosten des Weges zu verurteilen.
Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, soweit die Kläger Unterlassung begehren, ihnen aber eine Notwegerente in Höhe von 1.037,50 EUR jährlich, zahlbar Zug um Zug gegen Duldung der Überwegung auch zum Zwecke, ein Auto zu parken, zugesprochen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Weg über das Grundstück der Kläger sei ein Notweg nach § 917 Abs. 1 S. 1 BGB. Zur ordnungsgemäßen Nutzung gehöre auch die Erreichbarkeit mit einem Kraftfahrzeug und die Parkmöglichkeit auf dem Grundstück der Beklagten. Es erscheine widersinnig, einerseits das Überfahren des klägerischen Grundstücks durch den Notweg zu ermöglichen, aber gleichzeitig eine Nutzungsbeschränkung über das Grundstück der Beklagten zu verhängen. Das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.10.2013, Aktenzeichen V ZR 278/12, stütze die Rechtsauffassung der Kläger nicht. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall sei das Grundstück von einer öffentlichen Straße mit einem Kraftfahrzeug erreichbar gewesen. Die einzige Parkmöglichkeit auf dem Grundstück habe jedoch über das Nachbargrundstück geführt. Im hier zu entscheidenden Fall könne die Beklagte das eigene Grundstück aber nur über das Grundstück der Kläger erreichen. Die Entscheidung des BGH sei nicht auf ein Parkverbot auf dem eigenen Grundstück gerichtet. Vielmehr richte sich die Entscheidung gegen einen Eingriff in Eigentumsrechte allein der Bequemlichkeit wegen. Die von den Klägern begehrte Rechtsfolge betreffe zudem nicht den Notweg als solchen, sondern den Zweck seiner Nutzung, was auch im Hinblick auf die in der Zwangsvollstreckung notwendige Bestimmtheit nicht Gegenstand des Benutzungsrechts sein könne.
Gegen die teilweise Klageabweisung wenden sich die Kläger mit der Berufung. Sie sind der Auffassung, dass sie nach § 917 Abs. 1 S.1 BGB nur diejenige Nutzung zu dulden haben, die zur ordnungsgemäßen Nutzung des verbindungslosen Grundstücks notwendig ist. Die Nutzung des Verbindungsgrundstücks zum Befahren und Parken auf dem Grundstück der Beklagten sei nicht notwendig. Ausreichend sei es, dass...