Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang der Aufklärungspflichten des Verkäufers bei Unfallschaden
Leitsatz (amtlich)
1. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine arglistige Täuschung i.S.v. § 463 Satz 2 BGB dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht und diese Pflicht entweder durch Verschweigen oder durch unrichtige Behauptungen verletzt worden ist.
Ist bei einem Gebrauchtwagenverkauf der Käufer über einen Unfallschaden vollständig aufgeklärt worden, so spielt der Umstand, dass darüber hinaus auch ein „wirtschaftlicher Totalschaden” vorgelegen hat, keine Rolle mehr. Der Verkäufer ist deshalb – ohne besondere Nachfrage zu diesem Punkt – nicht verpflichtet, den Käufer über diesen Umstand als solchen aufzuklären. Die Einstufung durch den Sachverständigen als „wirtschaftlicher Totalschaden” stellt keine Tatsache dar, sondern nur eine Bewertung des Sachverständigen, die lediglich Bedeutung für die Frage hat, wie der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Schaden zu regulieren haben.
2. Bei einem Unfallschaden müssen die Angaben des Verkäufers vollständig und richtig sein und dürfen nicht geeignet sein, den Schaden zu bagatellisieren. Der Hinweis in der Vertragsurkunde „behobener Frontschaden Stoßstange Nebelscheinwerfer” schließt auch die Möglichkeit schwerster Schäden im Frontbereich ein und rechtfertigt nicht das Vertrauen des Käufers darauf, dass es sich hier nur um einen harmlosen Bagatellschaden handeln würde.
Normenkette
BGB § 463 S. 2
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Aktenzeichen 2 O 368/00) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 26.3.2001 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer des Klägers beträgt 3.143,90 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, denn die Voraussetzungen für einen Schadenersatzanspruch aus § 463 Satz 2 BGB liegen nicht vor.
Der Beklagte hat den Kläger nicht arglistig getäuscht. Das Verschweigen von Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich der verschwiegenen Tatsache eine Aufklärungspflicht besteht (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 123 Rz. 5) und diese Pflicht entweder durch Verschweigen oder durch unrichtige Behauptungen verletzt worden ist.
Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages – über die Beschreibung des Schadens hinaus – auf die Einstufung als sogenannter wirtschaftlicher Totalschaden ausdrücklich hinzuweisen. Zum einen liegt hier – wie das LG bereits zu Recht festgestellt hat – kein wirtschaftlicher Totalschaden vor, da der Sachverständige W den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs auf 26.700 DM und die Reparaturkosten auf lediglich 20.238,90 DM (jeweils brutto) geschätzt hat. Aber selbst dann, wenn ein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen hätte, wäre der Verkäufer – ohne besondere Nachfrage zu diesem Punkt – nicht verpflichtet gewesen, den Käufer über diesen Umstand als solchen aufzuklären (OLG Celle v. 11.2.1988 – 7 U 87/87, NJW-RR 1988, 1136; OLG Düsseldorf v. 24.5.1991 – 22 U 13/91, NJW-RR 1991, 1402; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 7. Aufl., Rz. 1890). Die Einstufung durch den Sachverständigen als „wirtschaftlicher Totalschaden” stellt keine Tatsache dar, sondern nur eine Bewertung des Sachverständigen, die lediglich Bedeutung für die Frage hat, wie der Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung den Schaden zu regulieren hat.
Entscheidend ist deshalb, ob hier eine unzulässige Bagatellisierung vorliegt, d.h. ob der Beklagte seine Aufklärungspflicht ordnungsgemäß erfüllt hat. Dem Beklagten war der Umfang des Schadens – wie er sich aus dem Gutachten des Sachverständigen W vom 2.11.1999 ergibt – bei Abschluss des Kaufvertrages bekannt gewesen, denn er hat das Fahrzeug in unrepariertem Zustand von dem Autohändler V aufgekauft und anschließend selbst repariert. Unstreitig war er deshalb verpflichtet, den Käufer über den Unfallschaden aufzuklären. Diese Angaben müssen vollständig und richtig sein und dürfen nicht geeignet sein, den Schaden zu bagatellisieren (BGH NJW 1987, 436 [437]; OLG Düsseldorf v. 24.5.1991 – 22 U 13/91, NJW-RR 1991, 1402).
Eine solche Bagatellisierung lässt sich hier nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen. Wenn im schriftlichen Kaufvertrag auf Unfallschäden hingewiesen wurde, dann ist es Sache des Käufers darzulegen und nachzuweisen, dass der Verkäufer den Unfallschaden bagatellisiert habe (KG v. 11.1.1996 – 12 U 174/95). In der Vertragsurkunde steht „behobener Frontschaden Stoßstange Nebelscheinwerfer”. Diese Urkunde hat i.S.v. § 416 ZPO die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich. Der Frontschaden ist unstreitig fachgerecht beseitigt worden, möglicherweise verbliebene Restmängel oder ein Minderwert sind von dem Kläger nicht dargelegt.
Hinsichtl...