Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Haftung des atypisch stillen Gesellschafters einer KG im Außenverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Der atypisch stille Gesellschafter einer KG (der im Innenverhältnis die gleichen Rechte und Pflichten eines Kommanditisten hat) haftet nicht analog § 171 Abs. 2 HGB im Außenverhältnis. Weder die Gesetzessystematik noch der Gesetzeszweck rechtfertigen die analoge Anwendung der Bestimmungen zur Außenhaftung des Kommanditisten gem. §§ 171, 172 HGB. Die "Innen - KG" wird zwar wie eine echte KG gegründet und abgewickelt, allerdings ist sie im Außenverhältnis (d.h. als Rechtsträgerin) inexistent. Die Vertragsparteien haben ganz bewusst auf die Eintragung einer (Kommanditisten-)Hafteinlage im Handelsregister (§ 162 Abs. 1 HGB) verzichtet. Während die Kommanditeinlage (Hafteinlage) im Handelsregister eingetragen wird (§ 162 Abs. 1 HGB) und dadurch für jedermann - insbesondere Gesellschaftsgläubiger - einsehbar und damit publiziert ist, wird durch die Vermögenseinlage des (atypisch) stillen Gesellschafters keinerlei Vertrauenstatbestand (nach außen) gesetzt. Die Gesellschaftsgläubiger haben von der stillen Einlage in der Regel keine Kenntnis und können deshalb auch nicht auf deren Erbringung vertrauen
2. Die spezielle Sonderverjährung der §§ 161 Abs. 2, 159 Abs. 1 HGB (5 Jahre nach Eintragung der Auflösung der Gesellschaft in das Handelsregister) findet im Fall der Geltendmachung des vertraglichen Erfüllungsanspruch der Gesellschaft gegen einen Gesellschafter (wegen der noch ausstehenden Einlageforderung im Innenverhältnis) keine Anwendung. Dieser Anspruch unterliegt bei den Personengesellschaften (OHG und KG) - anders als bei den Kapitalgesellschaften - vielmehr der 3-jährigen Regelverjährung nach § 195 BGB. Der Sonderverjährung nach § 159 HGB unterliegen nur Ansprüche aus der persönlichen Haftung (§§ 128 ff., 161 Abs. 2, 171 ff.) für Gesellschaftsverbindlichkeiten. Es fehlt an einer planwidrigen Regelungslücke, die die analoge Anwendung der Sonderverjährungsbestimmungen entsprechend §§ 26 Abs. 1, 159 HGB (d.h. 5-Jahre ab Eintragung der Insolvenzeröffnung ins Handelsregister) rechtfertigen könnte.
Normenkette
HGB §§ 159, 161, 171f, 172
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 08.04.2008; Aktenzeichen 5 O 35/07) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 8.4.2008 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen I - des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsrechtszuges.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Der Kläger kann seine Sicherheitsleistung auch durch eine schriftliche, unbefristete, unwiderrufliche, unbedingte und selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Inland zum Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts leisten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten als atypisch stillen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin auf Einzahlung seiner Hafteinlage in Anspruch. Der Kläger ist im Jahr 2005 durch das AG Leipzig zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Dr. R. KG (im Folgenden "KG" oder "Insolvenzschuldnerin") bestellt worden. Die Insolvenzschuldnerin wurde Ende 1991 gegründet. Der Gesellschaftsvertrag vom 8.1.1992 (Anlage K1) sieht in § 4 Abs. 6 vor, dass "atypisch stille Gesellschafter dieselben Rechte und Pflichten haben wie Kommanditisten". Für den Fall des Beitritts von Kommanditisten oder stillen Gesellschaftern sieht § 6 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages folgende Regelung vor:
"Wird die Einlage nicht bis zum 1.1. des Beitrittsjahres erbracht, so ist der Gesellschafter zur Zahlung eines Ausgleichs an die Gesellschaftskasse i.H.v. 10 % p.a. seit dem 1.1. des Beitrittsjahres bis zum Zahlungseingang verpflichtet".
Der Beklagte hat sich mit Beitrittserklärungen vom 21.10.1992 (Anlage K2: 300.000 DM), vom 17.2.1993 (Anlage K3, i.H.v. weiteren 200.000 DM) und vom 17.4.1994 (Anlage K4, i.H.v. weiteren 200.000 DM) mit insgesamt 700.000 DM (= 357.904,32 EUR) an der Dr. R. KG beteiligt. Zur Finanzierung seiner Einlagen nahm der Beklagte entsprechende Darlehen in gleicher Höhe bei der C. Inkasso AG (mit Sitz in A/Schweiz, im Folgenden "C.") auf. Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Beklagte seine Einlagen erbracht hat. Nach dem Vortrag des Beklagten soll die C. die Darlehensvaluta, mithin die Einlagen des Beklagten (700.000 DM), mit Kaufpreisansprüchen gegen die Insolvenzschuldnerin ( i.H.v. 20 Mio. DM; am 24.3.1992 abgetreten an die C. durch die P. AG; vgl. Anlage K18) verrechnet haben. Die Kaufpreisansprüche der P. Treuhand- und Verwaltungs AG (im Folgenden "P.") gegen die Insolvenzschuldnerin sollen - so der Kläger - tatsächlich wirtschaftlich jedoch gar nicht existent gewesen sein. Gegenstand des Kaufvertrages zwischen der Insolvenzschuldnerin und der P. vom 16.12.1991 (Anlage K17) ...