Zusammenfassung
Das obligatorische Schlichtungsverfahren betrifft zum einen bestimmte Nachbarstreitigkeiten. Zum anderen kann es auch für Ehrverletzungsstreitigkeiten angeordnet werden, was insoweit von Bedeutung ist, dass Nachbarstreitigkeiten häufig mit wechselseitigen Beleidigungen verbunden sind. Schließlich bezieht sich die Öffnungsklausel des § 15a EGZPO auch auf vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 750 EUR, wobei allerdings Ansprüche, die im Mahnverfahren geltend gemacht werden, von dieser Regelung nicht erfasst sind (§ 15a Abs. 2 Nr. 5 EGZPO).
Grund für die Zulassung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens durch landesgesetzliche Regelung war neben der Erwartung einer Entlastung der Gerichte 1. Instanz die Hoffnung, durch eine einvernehmliche Streitbeilegung Lösungen zu finden, die von beiden Streitparteien akzeptiert werden und damit Konflikte auch für die Zukunft möglichst auszuräumen.
Ganz nach dem Motto "Erst zum Schlichter, dann zum Richter" ist zum 1.1.2000 die Vorschrift des § 15a EGZPO[1] in Kraft getreten, die es den Bundesländern ermöglicht, die Erhebung einer Klage von der vorherigen Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsverfahrens abhängig zu machen.
1 Landesrechtliche Schlichtungsgesetze
Von der Öffnungsklausel des § 15a EGZPO haben mit Ausnahme von Berlin, Bremen und Thüringen alle Bundesländer in unterschiedlichem Umfang Gebrauch gemacht.
Baden-Württemberg hat Schlichtungsgesetz wieder aufgehoben
Baden-Württemberg ist mit Wirkung zum 1.5.2013 aus dem obligatorischen Schlichtungsverfahren ausgestiegen und hat sein Schlichtungsgesetz mit der Begründung aufgehoben, dass sich die mit diesem Gesetz verbundenen Erwartungen nicht erfüllt hätten.[1]
Übersicht
Bundesland | Vorschrift |
---|---|
Bayern | Bayerisches Schlichtungsgesetz v. 25.4.2000, zuletzt geändert durch Gesetz v. 8.4.2013, GVBl S. 174. |
Brandenburg | Brandenburgisches Schlichtungsgesetz v. 5.10.2000, GVBl 2000 S. 134, zuletzt geändert durch Gesetz v. 8.3.2018, GVBl 2018, Nr. 4. |
Hamburg | Gesetz über die Öffentliche Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle (ÖRA-Gesetz) v. 16.11.2010, HmbGVBl. 2010, S. 603. |
Hessen | Gesetz zur Regelung der außergerichtlichen Streitschlichtung v. 6.2.2001, GVBl 2001 S. 98, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 22.8.2018, GVBl 2018 S. 362. |
Mecklenburg-Vorpommern | Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz (SchStG M-V) v. 13.9.1990, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes v. 26.5.2021, GVOBl. M-V S. 598. |
Niedersachsen | Niedersächsisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung (Niedersächsisches Schlichtungsgesetz – NSchlG) v. 17.12.2009, GVBl 2009 S. 482, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes v. 16.12.2014, Nds. GVBl. S. 436. |
Nordrhein-Westfalen | Gesetz über das Schiedsamt in den Gemeinden des Landes Nordrhein-Westfalen (Schiedsamtsgesetz - SchAG NRW) v. 16.12.1992, zuletzt geändert durch Gesetz v. 9.11.2021, GV. NRW. S. 1198. |
Rheinland-Pfalz | Landesschlichtungsgesetz (LSchlG RP) v. 10.9..2008, GVBl 2008 S. 204. |
Saarland | Saarländische Schiedsordnung (SSchO) v. 19.4.2001, Amtsbl. S. 974, 1313, zuletzt geändert durch Art. 51 des Gesetzes v. 8.12.2021, Amtsbl. I S. 2629. |
Sachsen | Sächsisches Schieds- und Gütestellengesetz vom 27. Mai 1999 (SächsGVBl. S. 247), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 13 des Gesetzes v. 5.4.2019, SächsGVBl. S. 245. |
Sachsen-Anhalt | Schiedsstellen- und Schlichtungsgesetz (SchStG) v. 22.6.2001, GVBl 2001 S. 214, zuletzt geändert durch Art. 6 des Gesetzes v. 8.3.2021, GVBl. LSA S. 88, 89. |
Schleswig-Holstein | Gesetz zur Ausführung von § 15a des Gesetzes betreffend die Einführung der Zivilprozessordnung (Landesschlichtungsgesetz – LSchliG) v. 11.12.2001, GVBl 2001 S. 361, zuletzt geändert durch Gesetz v. 16.12.2008, GVBl 2008 S. 831. |
2 Schlichtungsbedürftige Nachbarstreitigkeiten
Soweit eine obligatorische Streitschlichtung landesgesetzlich vorgeschrieben ist, muss in den betreffenden Ländern ein Schlichtungsversuch in folgenden Fallgestaltungen unternommen werden, bevor Klage erhoben werden kann.
2.1 Nachbarrechtliche Streitigkeiten
- Streitigkeiten über Ansprüche wegen der in § 906 BGB geregelten Einwirkungen, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt. Diese Fallgestaltung betrifft Nachbarstreitigkeiten etwa wegen der von einem Nachbargrundstück ausgehenden Geruchs- oder Lärmbelästigungen sowie wegen ähnlicher Belästigungen und Störungen aus dem privaten Nachbarschaftsbereich.
- Streitigkeiten wegen des Überwuchses von Wurzeln oder Zweigen über die Grundstücksgrenze nach § 910 BGB.
- Streitigkeiten wegen Fallobst nach § 911 BGB.
- Streitigkeiten wegen eines Grenzbaums nach § 923 BGB.
- Streitigkeiten wegen der in den Landesnachbarrechtsgesetzen geregelten Nachbarrechte, sofern es sich nicht um Einwirkungen von einem gewerblichen Betrieb handelt.
Bei Zahlungsansprüche...
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