Zusammenfassung

 
Begriff

Das selbstständige Beweisverfahren der §§ 485 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) bietet die Möglichkeit, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ein kostenintensives und zeitraubendes Klageverfahren zu vermeiden.

Mit diesem Verfahren kann die Verjährung von kauf- und werkvertraglichen sowie von mietvertraglichen Ansprüchen gehemmt werden.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen finden sich in den §§ 485 ff. ZPO.

LG München I, Beschluss v. 9.11.2022, 8 O 7010/20: Die obsiegende Gemeinschaft der Wohnungseigentümer hat Anspruch auf Erstattung der gesamten Gerichtskosten, also auch des selbstständigen Beweisverfahrens, wenn der in Anspruch genommene Gegner in der Hauptsache wegen des gesamten Gegenstandes des Beweisverfahrens unterliegt.

LG Hamburg, Urteil v. 22.12.2021, 318 S 23/21: Ein Beschluss über ein selbstständiges Beweisverfahren muss mindestens den Antragsgegner bezeichnen und bei einem bereits laufenden Verfahren beispielsweise das Aktenzeichen nennen oder das Verfahren anderweitig für Dritte eindeutig bezeichnen.

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 9.12.2021, 2-13 T 74/21: Ein selbstständiges Beweisverfahren zwischen Wohnungseigentümern ist nach der WEG-Reform im Hinblick auf bauliche Veränderungen des Gemeinschaftseigentums (nur) dann zulässig, wenn der Antragsteller eine davon ausgehende Störung im Bereich seines Sondereigentums geltend macht.

LG Baden-Baden, Beschluss v. 21.7.2021, 3 T 45/21: Die Durchführung eines gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichteten selbstständigen Beweisverfahrens über Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum setzt nicht voraus, dass der antragstellende Wohnungseigentümer sich zuvor um eine Beschlussfassung der Eigentümerversammlung über die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den behaupteten Mängeln bemüht hat.

OLG München, Beschluss v. 12.12.2019, 20 W 1503/19: Ein Gericht kann einer am selbstständigen Beweisverfahren nicht beteiligten Wohnungseigentümergemeinschaft nicht aufgeben, eine Bauteilöffnung in der Tiefgarage zu dulden.

LG Dortmund, Beschluss v. 29.11.2019, 17 T 76/19: Der Nießbraucher eines Wohnungseigentums kann ein rechtliches Interesse an der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens gegen die Wohnungseigentümer haben.

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 18.4.2019, 2-13 S 55/18: Wird unter den Wohnungseigentümern über einen längeren Zeitraum diskutiert, ob der Bauträger gerichtlich in Anspruch genommen wird, darf der Verwalter nicht kurz vor Ablauf der Verjährung eigenmächtig ein selbstständiges Beweisverfahren als "Notmaßnahme" einleiten.

AG Kassel, Urteil v. 4.5.2017, 800 C 3846/16: Jeder Eigentümer kann eine ordnungsgemäße Verwaltung verlangen. Diese muss dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen entsprechen. Dies ist grundsätzlich dann nicht der Fall, wenn die Eigentümergemeinschaft Gewährleistungsansprüche der Wohnungseigentümer gegen den Bauträger an sich gezogen hat und sodann ein Beweissicherungsverfahren mit verjährungshemmender Wirkung nur unzureichend durchführt.

1 Grundsätze

Das selbstständige Beweisverfahren der §§ 485 ff. ZPO ermöglicht es den Parteien, außerhalb des zivilprozessualen Erkenntnisverfahrens Tatsachen gerichtlich verwertbar feststellen zu lassen.[1] Da ein geordneter Prozessvortrag gemäß § 138 Abs. 1 ZPO grundsätzlich entsprechende Tatsachenkenntnis voraussetzt, und die Eigentümergemeinschaft oder aber auch der einzelne Wohnungseigentümer nach Abnahme der Bauleistung das Vorliegen eines Mangels zu beweisen hat, hat das selbstständige Beweisverfahren insbesondere bei Baumängeln erhebliche Bedeutung. Wobei anzumerken ist, dass es aufgrund der Symptomrechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH)[2] für die schlüssige Darlegung eines Baumangels ausreicht, dessen äußeres Erscheinungsbild zu beschreiben.

In der Praxis bedeutsamste Variante des selbstständigen Beweisverfahrens ist diejenige des § 485 Abs. 2 ZPO. Hier können die für erforderlich erachteten tatsächlichen Feststellungen bei noch nicht anhängigem Hauptsacheprozess in einem isolierten Feststellungsverfahren getroffen werden. Daneben ist die Beweissicherung gemäß § 485 Abs. 1 ZPO vor und während des Hauptsacheprozesses dann zulässig, wenn

  • der Gegner zustimmt (Alt. 1) oder
  • Beweismittelverlust droht (Alt. 2).
 
Wichtig

Privatgutachten

Privatgutachten außerhalb eines selbstständigen Beweisverfahrens haben nicht die Beweiskraft wie ein entsprechendes im Rahmen eines selbstständigen Beweisverfahrens eingeholtes gerichtliches Sachverständigengutachten. Privatgutachten haben grundsätzlich auch keine verjährungshemmende Wirkung. Ein Privatgutachten unterliegt jedoch als urkundlich belegtes Parteivorbringen der freien Beweiswürdigung des Gerichts nach Maßgabe des § 286 ZPO.

2 Zulässigkeit

Zunächst gelten die allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen auch für das selbstständige Beweisverfahren. Der sich auf das Beweissicherungsverfahren beziehende mat...

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