1 Leitsatz

Ein selbstständiges Beweisverfahren zwischen Wohnungseigentümern ist nach der WEG-Reform im Hinblick auf bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums (nur) dann zulässig, wenn der Antragsteller eine davon ausgehende Störung im Bereich seines Sondereigentums geltend macht.

2 Normenkette

§ 485 ZPO; § 9a Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K beantragt ein selbstständiges Beweisverfahren. Er behauptet, es sei nach Arbeiten in der Wohnung von Wohnungseigentümer B in seiner Wohnung zu erheblichen Wassereintritten gekommen. K vermutet, dass B Abdichtungsschichten des gemeinschaftlichen Eigentums beschädigt hat. Das AG meint, K habe kein rechtliches Interesse an den Feststellungen. Er sei nämlich nicht berechtigt, Beseitigungsansprüche im Hinblick auf das gemeinschaftliche Eigentum geltend zu machen. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.

4 Die Entscheidung

Die sofortige Beschwerde hat teilweise Erfolg! Ein rechtliches Interesse i. S. d. § 485 Abs. 2 ZPO liege vor, wenn die Beweistatsache zur Begründung eines materiell-rechtlichen Anspruchs des Antragstellers dienen könnte. Zwar sei K nach § 9a Abs. 2 WEG nicht befugt, Ansprüche in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum geltend zu machen. Im Fall gehe es insoweit um Fragen des Brandschutzes. Im Übrigen sei das Bestehen eines Anspruchs aber nicht ausgeschlossen. Ein Wohnungseigentümer sei prozessführungsbefugt, soweit er seine Klage auf eine Störung im räumlichen Bereich des Sondereigentums stütze. Im Fall behaupte K insoweit, dass seinem Sondereigentum durch die Baumaßnahmen Schimmelgefahren drohten.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall stellt ein Wohnungseigentümer den Antrag auf Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens. Fraglich wird, ob der Wohnungseigentümer an der Durchführung ein rechtliches Interesse hat.

Selbstständiges Beweisverfahren: Grundsatz

Ist ein Rechtsstreit noch nicht anhängig, kann eine Partei nach § 485 Abs. 2 ZPO die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, dass der Zustand einer Person oder der Zustand oder Wert einer Sache, die Ursache eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels, der Aufwand für die Beseitigung eines Personenschadens, Sachschadens oder Sachmangels festgestellt wird. Ein rechtliches Interesse ist anzunehmen, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.

Selbstständiges Beweisverfahren: Wohnungseigentumsanlagen

In einer Wohnungseigentumsanlage ist in Bezug auf die Ursache eines Sachschadens zwischen dem gemeinschaftlichen Eigentum und dem Sondereigentum zu unterscheiden. Überblick:

  • Rechte und Pflichten in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum und seine Schäden können im Rechtsverkehr nach § 9a Abs. 2 WEG nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wahrgenommen werden. Ein Wohnungseigentümer, der ein selbstständiges Beweisverfahren beantragt, um die Ursachen eines Sachschadens des gemeinschaftlichen Eigentums klären zu lassen, ist hierzu also nicht prozessführungsbefugt. Dementsprechend hat das LG – ebenso wie das AG – den Antrag des K als unzulässig angesehen. Um zu klären, ob B Abdichtungsschichten des gemeinschaftlichen Eigentums beschädigt hatte, müsste also die Verwaltung initiativ werden und das Entsprechende veranlassen. Dabei geht es nicht nur um die Abdichtungsschichten, sondern auch um etwaige Schäden des gemeinschaftlichen Eigentums, etwa an den Zwischendecken und/oder den tragenden Wände.
  • Rechte und Pflichten in Bezug auf das Sondereigentum können im Rechtsverkehr nur von seinem Eigentümer wahrgenommen werden. Dementsprechend hat das LG – anders als das AG – dem Antrag des K insoweit stattgegeben.

6 Entscheidung

LG Frankfurt a. M., Beschluss v. 9.12.2021, 2-13 T 74/21

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