1 Leitsatz

Jeder Wohnungseigentümer ist nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG verpflichtet, das Betreten seines Sondereigentums – beispielsweise zu Wartungs- und Reparaturarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum – zu dulden, wenn und soweit diese Arbeiten – zum Beispiel mangels tatsächlichen Vorhandenseins eines Zuganges – nicht vom gemeinschaftlichen Eigentum aus vorgenommen werden können und ihm daraus über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwächst.

2 Normenkette

§§ 14 Abs. 1 Nr. 2, 23 WEG

3 Das Problem

Das Gebäude hat ein Flachdach, auf dem sich das Splitgerät einer Wärmepumpe befindet. Die Wohnungseigentümer streiten darüber, ob diese Bauausführung einen Mangel darstellt, der zu beseitigen ist und welche Folgen die Bauausführung für die Frage des Zugangs zum Dach zu Wartungs- und Reparaturarbeiten hat. Wohnungseigentümer K1 und K2 sind die Eigentümer der Wohnungen im obersten Geschoss unmittelbar unter dem Dach. K 2 lässt eine Bitte der Verwaltung, ihr Zugang von seiner Dachterrasse zum Flachdach zu gewähren, um Wartungs- und Reparaturarbeiten am Splitgerät durchzuführen, unbeantwortet. Die Wohnungseigentümer beschließen daraufhin, alle Wohnungseigentümer seien gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer verpflichtet, das Betreten ihres Sondereigentums und andere Einwirkungen auf dieses und das gemeinschaftliche Eigentum beispielsweise zu Wartungs- und Reparaturarbeiten zu gestatten und zu ermöglichen. Gegen diesen Beschluss gehen Wohnungseigentümer K1 und K2 vor. Er sei zu unbestimmt und statuiere ein Betretungsrecht des Sondereigentums ohne Einschränkungen. Des Weiteren solle er nur die Beseitigung eines baulichen Mangels umgehen, nämlich des fehlenden Zugangs zum Dach vom gemeinschaftlichen Eigentum aus. Weiter liege ein formaler Mangel vor, da Nichteigentümer an der Versammlung teilgenommen hätten und mehrfach abgestimmt worden sei.

4 Die Entscheidung

Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Ob es den Wohnungseigentümern möglich gewesen wäre, die Pflicht aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG deklaratorisch festzustellen, könne dahinstehen. Denn der Beschluss gehe über die Verpflichtung eines Wohnungseigentümers nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG hinaus. Aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG folge ohne Weiteres die Verpflichtung eines jeden Wohnungseigentümers, das Betreten seines Sondereigentums – etwa zu Wartungs- und Reparaturarbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum – zu dulden, wenn und soweit diese Arbeiten – beispielsweise mangels tatsächlichen Vorhandenseins eines Zugangs – nicht vom gemeinschaftlichen Eigentum aus vorgenommen werden könnten und ihm daraus über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus kein Nachteil erwachse. Die Interessen des Sondereigentümers seien angemessen zu berücksichtigen, und der Anspruch sei möglichst schonend durchzusetzen. Der Zutritt müsse geeignet, erforderlich und angemessen sein. Über das Zutrittsrecht sei im Einzelfall durch Beschluss zu entscheiden, dessen Umsetzung das Betreten eines Sondereigentums dann zwingend mit sich bringe. Es könne daher nicht, wie im Fall, pauschal und isoliert ein "Zutritt zum Sondereigentum" beschlossen werden. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne sich den Anspruch nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG nicht "selbst verschaffen". Insofern fehle es an einer Beschlusskompetenz.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall kann nach der Bauausführung das Dach für Erhaltungsarbeiten nur über das Sondereigentum von 2 Wohnungseigentümern betreten werden.

Deklaratorische Beschlüsse

Die Wohnungseigentümer können beschließen, was sowieso gilt. Im Fall konnte man durch Beschluss allgemein und abstrakt daran erinnern, wann ein Wohnungseigentümer es dulden muss, dass sein Sondereigentum betreten wird. Nichts Anderes ist bei einer nächstliegenden und wohlwollenden Auslegung geschehen. Die Sichtweise des AG, es sei isoliert ein "Zutritt zum Sondereigentum" beschlossen worden, überzeugt eher nicht.

Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?

Die Verwaltung sollte wissen, dass sie einen Wohnungseigentümer nur bitten kann, dass sie selbst oder ein Dritter, beispielsweise ein Handwerker, das Sondereigentum betreten darf. Ein Wohnungseigentümer muss das Betreten zwar nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG in bestimmten Fällen dulden. Duldet er nicht, muss aber ein Duldungstitel erstritten werden. Die Wohnungseigentümer können sich einen solchen Titel nicht durch einen Beschluss selbst schaffen.

6 Entscheidung

AG Bergisch Gladbach, Urteil v. 9.6.2022, 70 C 53/21

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