1 Leitsatz

Ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht ist weder ein dingliches noch ein grundstücksgleiches Recht. Dem öffentlichen Recht entstammende Rechte, die das gemeinschaftliche Eigentum betreffen, können nur gemeinschaftlich, d. h. von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, geltend gemacht werden.

2 Normenkette

§§ 9a, 10 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K beantragt, 5 Kiefern fällen zu dürfen. Die Flächen, auf denen diese Bäume stehen, unterliegen seinem Sondernutzungsrecht. Die dort vorgesehenen Stellplätze hat der Bauträger nicht hergestellt. Die Gemeinde erteilt die Genehmigung nicht. Sie meint, die "satzungsgemäßen Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Verbot der Fällung" lägen nicht vor. Die von K benannten Kiefern wiesen keine ausreichenden Merkmale auf, die eine Fällung rechtfertigten. Dass K die für ihn vorgesehenen Stellplätze nicht nutzen könne, stelle keine unzumutbare Beschränkung dar. Gegen diese Sichtweise erhebt K eine Feststellungsklage. Er will festgestellt wissen, dass er keine Fällgenehmigung benötige. Die Gemeinde meint, K sei für eine Klage nicht klagebefugt. Es liege auch kein Beschluss vor, wonach die Kiefern gefällt werden sollen.

4 Die Entscheidung

Das VG meint, es gebe schon keine rechtlichen Beziehungen des K zur Gemeinde B! Zwar sei das Sondernutzungsrecht im Grundbuch eingetragen. Es vermittele K aber lediglich eine schuldrechtliche Rechtsposition. Auch ein im Grundbuch eingetragenes Sondernutzungsrecht sei wie jede andere Vereinbarung weder ein dingliches noch ein grundstücksgleiches Recht. Es handele sich um einen aus dem Gemeinschaftsverhältnis resultierenden schuldrechtlichen Rechtsanspruch des begünstigten Wohnungseigentümers gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Gewährung der vereinbarten ausschließlichen Nutzung. Hierdurch werde das Sondereigentum des Berechtigten und der übrigen Wohnungseigentümer lediglich inhaltlich mitbestimmt. Der betreffende Grundstücksteil verliere hierdurch nicht seine Zugehörigkeit zum gemeinschaftlichen Eigentum (Hinweis auf VG Dresden, Urteil v. 3.5.2019, 12 K 4870/17, Rn. 28 – juris). Mithin bestünden nur zwischen dem gemeinschaftlichen Eigentum, also der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, und B Rechtsbeziehungen. Jedenfalls fehle es an einer Klagebefugnis. Eine schützenswerte Rechtsposition gegenüber B lasse sich nur gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer herleiten. Dies bedeute, dass öffentliche Rechte, die das gemeinschaftliche Eigentum beträfen, nur gemeinschaftlich, d. h. von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, geltend gemacht werden könnten. Dies ergebe sich aus § 9a Abs. 1 und 2 sowie § 9b WEG. Danach sei allein die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer prozessführungsbefugt.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer, dem nach einer Sondernutzungsrechtsvereinbarung an einem Stellplatz ein Alleingebrauchsrecht zusteht (Sondernutzungsberechtigter), für diese Fläche gegenüber den Behörden Rechte geltend machen kann. Das VG lehnt dies ab und meint, nur die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer könne in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum Rechte geltend machen. Diese Sichtweise entspricht der "reinen Lehre". Der BGH ist indessen der Auffassung, dass ein Sondernutzungsberechtigter ungeachtet von § 9a Abs. 2 WEG in Bezug auf die Flächen oder Räume, an denen ihm nach einer Vereinbarung Rechte zustehen, gegen Störungen vorgehen kann. Sieht man es so, ich selbst tue das aus Gründen des Pragmatismus, sollte ein Wohnungseigentümer auch die Möglichkeit erhalten, als Sondernutzungsberechtigter eine Fällgenehmigung einzuholen und gegen die Versagung zu kämpfen. Praktisch dürfte dies nicht so sehr für Stellplätze eine Rolle spielen, hier lag der Fall besonders, sondern für die deutschlandweit vorhandenen Gartenflächen. Hier die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als Berechtigte anzusehen, gegenüber Behörden aufzutreten, dürfte jedenfalls praktisch nicht überzeugen.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Die Verwaltungen sollten an dieser Stelle die Entwicklung im öffentlichen Recht kritisch begleiten. Hätte das VG recht, kämen deutschlandweit die Gartenflächen jedenfalls in Bezug auf das öffentliche Recht in die Handlungsmasse der Verwaltungen. Das können weder die Verwaltungen noch die Wohnungseigentümer wollen und entspricht auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.

6 Entscheidung

VG Frankfurt/Oder, Urteil v. 20.6.2022, 5 K 1122/19

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