Alexander C. Blankenstein
Den Wohnungseigentümern ist im Rahmen der Bemessung der Rücklagenhöhe ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt, der nur bei erheblicher Unter- oder Überschreitung ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht. Kriterien für die Bemessung der Höhe der Rücklage sind
- Alter,
- Zustand,
- Ausstattung,
- Erhaltungsbedarf in der Vergangenheit und
- prognostizierter zukünftiger Erhaltungsbedarf.
Anhaltspunkte für die Bemessung der Erhaltungsrücklage bieten
2.2.1 § 28 Abs. 2 II. BV
Die Verordnung über wohnungswirtschaftliche Berechnungen nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz (Zweite Berechnungsverordnung – II. BV) dient der Wirtschaftlichkeitsberechnung von Wohnraum. Anwendungsbereiche sind der soziale Wohnungsbau und der steuerbegünstigte freie Wohnungsbau. Allerdings werden die Regelungen der II. BV in der Praxis über die genannten Bereiche hinaus angewandt, so u. a. im Bereich des Wohnungseigentums als Bemessungsgrundlage für die Höhe einer angemessenen Erhaltungsrücklage.
In ihrer derzeitigen Fassung geht § 28 Abs. 2 II. BV von Instandhaltungskosten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr bei zurückliegender Bezugsfertigkeit
- von weniger als 22 Jahren von höchstens 7,10 EUR,
- von mindestens 22 Jahren von höchstens 9,00 EUR,
- von mindestens 32 Jahren von höchstens 11,50 EUR
aus. Ist ein Aufzug vorhanden, erhöhen sich die Sätze um jeweils 1,00 EUR.
Indexierung beachten!
Diese Ansätze sind allerdings nicht mehr aktuell. Zu berücksichtigen ist, dass § 28 Abs. 5a II. BV bezüglich der Änderung dieser Ansätze auf § 26 Abs. 4 II. BV verweist. § 26 II. BV regelt die Höhe der Verwaltungskosten und sein Absatz 4 die Anpassung der in § 26 Abs. 2 und Abs. 3 II. BV ausgewiesenen Verwaltungskosten. Diese verändern sich seit dem 1.1.2005 stets am 1.1. eines jeden darauffolgenden 3. Jahres um den Prozentsatz, um den sich der vom Statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex für Deutschland für den der Veränderung vorausgehenden Monat Oktober gegenüber dem Verbraucherpreisindex für Deutschland für den der letzten Veränderung vorausgehenden Monat Oktober erhöht oder verringert hat.
Das sind die aktuellen Beträge
Die letzte Änderung erfolgte zum 1.1.2023, weshalb seit diesem Zeitpunkt folgende Ansätze gelten pro Quadratmeter Wohnfläche im Jahr bei zurückliegender Bezugsfertigkeit
- von weniger als 22 Jahren höchstens 10,61 EUR,
- von mindestens 22 Jahren höchstens 13,45 EUR,
- von mindestens 32 Jahren höchstens 17,18 EUR
maßgeblich sind. Ist ein Aufzug vorhanden, erhöhen sich die Sätze um jeweils 1,50 EUR.
Baujahr 1990
Bei einer im Jahr 1990 fertig gestellten Wohnanlage ohne Aufzug würde die jährliche Rücklagenhöhe einer 70-qm-Wohnung im Jahr 2025 bei 1.202,60 EUR liegen (Bezugsfertigkeit seit mindestens 32 Jahren, 17,18 EUR x 70 qm), monatlich also bei 100,22 EUR. Wäre im Haus ein Aufzug vorhanden, ergäbe sich eine jährliche Rücklagenhöhe von 1.307,60 EUR für die Wohnung.
Für Garagen oder Stellplätze sieht § 28 Abs. 5 II. BV Instandhaltungskosten in Höhe von 68 EUR je Garage bzw. Stellplatz vor. Insoweit ergibt sich nach Anpassung an die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes ein aktueller Wert von 101,62 EUR.
2.2.2 Peters’sche Formel
Die Peters'sche Formel geht davon aus, dass im Laufe von geschätzten 80 Jahren Lebensdauer eines Gebäudes Instandhaltungskosten in Höhe des 1,5-fachen der Herstellkosten anfallen, wobei hiervon je nach Ausstattung 65 – 70 % das Gemeinschaftseigentum betreffen.
Berechnung nach Peters'scher Formel
Die Baukosten betragen 1.750 EUR je qm Wohnfläche und betreffen zu 70 % das Gemeinschaftseigentum. Bei einer 70-qm-Wohnung würde sich die jährliche Rücklagenhöhe auf 1.607,90 EUR belaufen (1.750 [Baukosten] x 1,5 : 80 [Lebensdauer] x 0,7 [Anteil Gemeinschaftseigentum] x 70 [qm]), mithin auf 133,99 EUR im Monat.
2.2.3 v. Hauff’sche Formel
Ausgehend vom aktuellen Marktpreis/qm unterstellt die v. Hauff'sche Formel, dass vom Kaufpreis einer Eigentumswohnung lediglich 25 % auf das gemeinschaftliche Eigentum entfallen und dieses spätestens alle 50 Jahre instandsetzungsbedürftig ist.
Berechnung nach v. Hauff'scher Formel
Der Marktpreis beträgt 2.500 EUR je qm Wohnfläche. Bei einer 70-qm-Wohnung würde sich die jährliche Rücklagenhöhe auf 875 EUR belaufen (2.500 [Marktpreis] x 0,25 [Anteil Gemeinschaftseigentum] : 50 x 70 [qm]), mithin auf 72,92 EUR im Monat.
2.2.4 Problem
Zu berücksichtigen ist bei einer Bemessung der Erhaltungsrücklage unter Verwendung von Formeln stets, dass Formeln Besonderheiten der Wohnanlage nicht berücksichtigen können. Ausschlaggebend sind jedoch insbesondere der Zustand der Anlage sowie die jeweilige Ausstattung und Einrichtung. Verfügt die Wohnanlage etwa über einen Aufzug, über ein gemeinschaftliches Schwimmbad und/oder eine gemeinschaftliche Sauna und ggf. noch Belüft...