In der Praxis wird die Erhaltungsrücklage häufig bei Liquiditätsengpässen in Anspruch genommen. Dass dies ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, liegt bereits deshalb auf der Hand, weil es sich bei der Erhaltungsrücklage um zweckgebundenes Verwaltungsvermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft handelt.[1] Insoweit stellt auch eine lediglich vorübergehende Inanspruchnahme der Erhaltungsrücklage zur Absicherung von Liquiditätsengpässen eine Verwendung entgegen ihrer Zweckbestimmung dar und bewegt sich nicht mehr im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung.

Beschlussfassung erforderlich

In engen Grenzen lässt die Rechtsprechung Ausnahmen aufgrund entsprechender Beschlussfassung der Wohnungseigentümer zu. Insoweit ist allerdings bereits umstritten, ob beschlussweise nur eine Einzelfallregelung herbeigeführt werden kann[2] oder auch eine Vorratsbeschlussfassung möglich ist.[3]

Beschluss über Entnahme im konkreten Einzelfall

Im Fall der konkreten Gestattung einer Rücklagenentnahme muss stets geregelt werden, dass in der Erhaltungsrücklage eine "eiserne Reserve" verbleibt.[4] Die Höhe einer solchen Reserve hängt von den Umständen des Einzelfalls ab:

  • Zustand der Anlage,
  • Alter und
  • Reparaturanfälligkeit.[5]

Beschluss über Entnahme im Bedarfsfall (Vorratsbeschluss)

 

Vorratsbeschluss

Ein Vorratsbeschluss behandelt nicht einen konkreten Einzelfall, sondern ermöglicht und ermächtigt den Berechtigten, i. d. R. den Verwalter, abstrakt-generell im Fall des Eintritts eines bestimmten Sachverhalts zu handeln.

Als ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend hat das LG Dortmund[6] einen Vorratsbeschluss angesehen, der den Verwalter zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen durch einen Rückgriff auf die Erhaltungsrücklage ermächtigt, wenn

  • maximal Entnahmen bis zur Höhe von 3/12 der Höhe des Gesamtwirtschaftsplans oder
  • maximal 10 % des Rücklagenbestands verwendet werden und
  • dies auch nur kurzfristig für eine Dauer von bis zu 2 Monaten.

Hier überzeugt bereits das Alternativverhältnis nicht. Es stellt einen gravierenden Unterschied dar, ob lediglich 10 % der Rücklage in Anspruch genommen werden dürfen oder aber eine Entnahme in einer Größenordnung von bis zu einem Viertel der Gesamtwirtschaftsplansumme erfolgt. Offen bleibt auch, ob die Erhaltungsrücklage nach 2 Monaten wieder entsprechend aufzufüllen ist oder aber die Erhaltungsrücklage lediglich für den geregelten Zeitraum in Anspruch genommen werden kann, was über einen längeren Zeitraum zu ihrer Erschöpfung führen würde. Der Beschluss dürfte mangels Bestimmtheit vielmehr nichtig sein.

Als ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechend hat es das LG Köln[7] in Form eines Vorratsbeschlusses angesehen, dass eine Entnahme aus der Erhaltungsrücklage nur in Höhe der im laufenden Wirtschaftsjahr geleisteten Beiträge zur Erhaltungsrücklage erfolgt, also die Ist-Rücklage derjenigen entspricht, die zum Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs vorhanden war und die Rücklagenmittel ausschließlich für Ausgaben verwendet werden, die das laufende Wirtschaftsjahr betreffen. Ein derartiger Beschluss kann aber auch nur dann ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn er konkretisiert, dass die zu Jahresbeginn regelmäßig auftretenden Engpässe wegen Begleichung von auf das ganze Jahr bezogener Verpflichtungen, die im Laufe des Jahres durch die Einnahmen wieder gedeckt werden, durch Zugriff auf die Erhaltungsrücklage ausgeglichen werden können und so wiederum eine Zweckbindung festgelegt wird.[8] Aber auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts wird eine derartige Beschlussfassung nicht dem Ansparcharakter der Erhaltungsrücklage gerecht.

 

Vorratsbeschluss: Gefahr der Regelung unbestimmter Sachverhalte

Im Fall der Vorratsbeschlussfassung ist stets zu berücksichtigen, dass über die Inanspruchnahme der Erhaltungsrücklage nicht im konkreten Einzelfall entschieden wird und auch nicht bezogen auf einen konkreten Liquiditätsengpass. Dies führt dazu, dass die Eigentümer im Zeitpunkt der Beschlussfassung weder den konkreten Erhaltungsbedarf der Gemeinschaft im Zeitpunkt der Inanspruchnahme zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen kennen noch Art und Ursache des konkreten Liquiditätsengpasses, der die Inanspruchnahme der Erhaltungsrücklage erforderlich macht. Insoweit stellt sich die Frage, ob überhaupt – losgelöst vom Einzelfall – vorab beantwortet werden kann, in welcher Höhe eine Inanspruchnahme der Erhaltungsrücklage für Liquiditätszwecke deren angemessene Höhe nicht gefährdet.[9]

Auch die Festsetzung eines Sockelbetrags, der als eiserne Reserve in der Rücklage verbleiben muss und eine Beschränkung der Liquiditätshilfe auf einen bestimmten niedrigen Prozentsatz der Wirtschaftsplansumme, wird nur für den Regelfall gewährleisten, dass eine angemessene Erhaltungsrücklage verbleibt. Zwingend ist dies jedoch nicht. Die Frage, ob eine ausreichende Reserve vorliegt, kann nur im Einzelfall beantwortet werden, da sie von den konkret anstehenden beziehungsweise erforderlichen Erhaltungsmaßnahmen abhängt. Abstrakt-generell vorauszuse...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?