Hat die Erhaltungsrücklage einen Bestand erreicht, der das angemessene Maß deutlich überschritten hat, können die Wohnungseigentümer über eine Teilauflösung der Rücklage beschließen.[1]

 

Eiserne Reserve

Im Fall der Teilauflösung der Erhaltungsrücklage kann allerdings nicht auf die zur sog. "eisernen Reserve" ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden,[2] weil diese zu temporären Zugriffen auf die Erhaltungsrücklage zwecks Ausgleichs von Liquiditätsengpässen ergangen ist. Voraussetzung eines solchen Zugriffs ist, dass die Rücklage innerhalb eines überschaubaren Zeitraums wieder bis zur angemessenen Höhe aufgefüllt wird, was bei der Teilauflösung gerade nicht der Fall ist.

Bei der Beurteilung der Angemessenheit der Rücklagenhöhe sind wiederum die Kriterien maßgeblich, die mit Blick auf die Bildung der Erhaltungsrücklage zu berücksichtigen sind und stets vom Einzelfall der jeweiligen Wohnanlage abhängen.

Die Teilauflösung der Rücklage kann erfolgen durch

  • Auszahlung an die Wohnungseigentümer,
  • Finanzierung einer Maßnahme der baulichen Veränderung, die mit einer Kostentragungsverpflichtung aller Wohnungseigentümer verbunden ist,
  • Bildung einer Liquiditätsrücklage.

Auszahlung an die Wohnungseigentümer

Zwingend zu beachten ist, dass bei einer Teilauflösung der Erhaltungsrücklage bezüglich der Auszahlung an die Wohnungseigentümer derjenige Verteilungsschlüssel zur Anwendung kommt, der auch der Bildung der Erhaltungsrücklage, also der Bemessung der durch die Wohnungseigentümer zu leistenden Anteile, zugrunde liegt. Zwar erlaubt § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG die beschlussweise Änderung der Kostenverteilung mit Blick auch auf Maßnahmen der Erhaltung. Diese Bestimmung ist aber nicht – auch nicht entsprechend – auf den Fall einer Teilauflösung der Rücklage übertragbar. Der Grund liegt auf der Hand, da es sich bei der Teilauflösung der Erhaltungsrücklage nicht um eine Maßnahme der Erhaltung handelt.

Finanzierung einer Maßnahme der baulichen Veränderung

Eine Teilauflösung der Erhaltungsrücklage zur Finanzierung einer Maßnahme der baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums kommt ausschließlich dann in Betracht, wenn alle Wohnungseigentümer entweder nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG oder § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG zur anteiligen Kostentragung verpflichtet sind. Dies ist nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 WEG dann der Fall, wenn mehr als 2/3 der abgegebenen Stimmen für die Maßnahme votieren und dabei die Hälfte der Miteigentumsanteile repräsentieren. Des Weiteren dürfen die Kosten der Maßnahme nicht unverhältnismäßig sein. Nach § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG führt eine Maßnahme der baulichen Veränderung dann zu einer Kostenbelastung aller Wohnungseigentümer, wenn sich ihre Kosten innerhalb eines angemessenen Zeitraums von ca. 10 Jahren amortisieren. Wiederum ist auch bei dieser Art der Rücklagen(teil)auflösung zu beachten, dass insoweit der für die Bildung der Erhaltungsrücklage geltende Verteilungsschlüssel zur Anwendung kommen muss.

Bildung einer Liquiditätsrücklage

Insbesondere um einen temporären Zugriff im Fall von Liquiditätsengpässen auf die Erhaltungsrücklage zu vermeiden, bietet es sich im Rahmen einer Teilauflösung der Erhaltungsrücklage geradezu an, die dort vorhandenen überschüssigen finanziellen Mittel in eine Liquiditätsrücklage zu überführen. Die Bildung einer Liquiditätsrücklage – auch neben einer bestehenden Erhaltungsrücklage – entspricht jedenfalls den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung.

[1] LG München I, Urteil v. 14.7.2016, 36 S 3310/16, ZMR 2016 S. 986.
[2] LG Düsseldorf, Urteil v. 23.9.2015, 25 S 18/15, ZMR 2016 S. 126.

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