1 Leitsatz

Ist ein Wohnungseigentümer rechtskräftig verurteilt worden, bestimmten ruhestörenden Lärm zu unterlassen und verstößt er mehrfach gegen diese Pflicht, handelt er schuldhaft, wenn er sich nicht ausreichend entschuldigt.

2 Normenkette

§ 14 Abs. 1 Nr. 2 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer S ist rechtskräftig verurteilt, in und in unmittelbarer Nähe der Wohnungseigentumsanlage jede Form ruhestörenden Lärms, insbesondere lautes Rufen und Schreien, zu unterlassen. Wohnungseigentümer G beantragt vor diesem Hintergrund die Festsetzung eines Zwangsgelds. Er begründet diesen Antrag mit Zuwiderhandlungen. S schreie nahezu täglich mehrfach so laut, dass es im gesamten Haus zu hören sei. Er und die anderen Wohnungseigentümer seien hiervon stark beeinträchtigt. S beantragt, diesen Antrag abzulehnen. Es liege nämlich kein Verschulden vor. Durch eine ärztliche Bescheinigung sei nachgewiesen, dass er die Schreie gar nicht steuern könne. Er habe sich erfolglos umfangreichen Therapien unterzogen. Obgleich keine medizinische Indikation gegeben sei, habe er sogar begonnen, Medikamente zu nehmen. Diese hätten jedoch nicht, wie erhofft, zu einer vollständigen Unterdrückung der Schreie geführt. Das AG verhängt dennoch ein Ordnungsgeld. Dagegen wendet sich S.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! S habe unstreitig gegen seine Pflicht, nicht zu schreien, verstoßen. Dies sei auch schuldhaft geschehen. Durch die objektive Verletzung der Unterlassungsverpflichtung sei nämlich das Verschulden des S angezeigt (Hinweis u. a. auf OLG Dresden, Beschluss v. 6.2.2018, 4 W 103/18; OLG Frankfurt a. M., Beschluss v. 25.6.2018, 6 W 9/18 und OLG Schleswig, Beschluss v. 18.2.2005, 6 W 7/05). Der Vortrag des S genüge nicht, um sich zu entschuldigen. Maßgeblich sei insoweit, ob S es schuldhaft unterlassen habe, an der Grundsituation etwas dergestalt zu ändern, dass durch ihn verursachte Lärmimmissionen zukünftig unterbleiben. Sollte eine medizinische Behandlung der Erkrankung nicht möglich sein, wäre S beispielsweise dazu verpflichtet, andere Möglichkeiten auszuschöpfen. So wäre z. B. eine Dämmung der Wohnung möglich. Dies sei nicht vorgetragen.

5 Hinweis

  1. Handelt der Schuldner einer Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu unterlassen oder die Vornahme einer Handlung zu dulden, so ist er nach § 890 Abs. 1 ZPO wegen einer jeden Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des 1. Rechtszuges zu einem Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zur Ordnungshaft oder zur Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu verurteilen. Das einzelne Ordnungsgeld darf den Betrag von 250.000 EUR, die Ordnungshaft insgesamt 2 Jahre nicht übersteigen. Der Verurteilung muss eine entsprechende Androhung vorausgehen, die, wenn sie in dem die Verpflichtung aussprechenden Urteil nicht enthalten ist, auf Antrag von dem Prozessgericht des 1. Rechtszuges erlassen wird.
  2. Wegen des strafrechtsähnlichen Charakters des § 890 ZPO muss der Gläubiger darlegen und beweisen, dass der Schuldner schuldhaft gegen seine Unterlassungsverpflichtung verstoßen hat. Trägt der Gläubiger allerdings Umstände vor, die nach den Regeln eines Anscheinsbeweises auf ein Verschulden des Schuldners schließen lassen, hat dieser die Möglichkeit, den Anschein durch einen entsprechenden Vortrag zu erschüttern. Dies ist ihm zumutbar, denn regelmäßig steht er dem Vorgang, der das Ordnungsgeldverfahren auslöst, näher als der Gläubiger und ist daher besser als dieser in der Lage, die entscheidungserheblichen Tatsachen aufzuklären.
  3. Welche Umstände G im Fall vorgetragen haben soll, wird nicht so recht deutlich. Zwar dürfte die Tatsache, dass S schreit, sogar unstreitig sein. Mir selbst ist aber unklar, welchen Vortrag G dazu gehalten hat, dass S schuldhaft handelte. Es mag allerdings richtig sein, S wenigstens zu einer Dämmung der Wohnung zu verpflichten.

6 Entscheidung

LG Itzehoe, Beschluss v. 26.1.2021, 11 T 22/20

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