1 Leitsatz

Das Berufungsgericht muss bei einer Berufungseinlegung durch den Streithelfer auch dann prüfen, ob der Beitritt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO genügt, wenn der Beitritt bereits erstinstanzlich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil verbunden worden ist.

2 Normenkette

§ 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO; § 28 Abs. 1, Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K klagt gegen Wohnungseigentümer B auf Zahlung von Vor- und Nachschuss. Das AG verurteilt B antragsgemäß durch Versäumnisurteil zur Zahlung von 1.402,92 EUR nebst Zinsen. Mit einem Schreiben vom 4.8.2021 erklärt ein S, dem B als Streithelfer beizutreten und für ihn Einspruch gegen das Versäumnisurteil einzulegen. Das AG verwirft diesen Einspruch des S als unzulässig. Die von S eingelegte Berufung verwirft das LG ebenfalls als unzulässig. Es liege kein wirksamer Beitritt vor. Es fehle an der erforderlichen bestimmten Angabe des dem Beitritt zugrundeliegenden Interesses gem. § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO. Hiergegen wendet sich S mit der Rechtsbeschwerde.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Da eine Berufung nur von Prozessbeteiligten eingelegt werden könne, hänge ihre Zulässigkeit im Fall der Einlegung durch einen Streithelfer davon ab, ob dieser rechtzeitig – spätestens mit Einlegung der Berufung (§ 66 Abs. 2 ZPO) – und wirksam dem Rechtsstreit beigetreten sei. Bei einer Verbindung des Beitritts mit der Einlegung der Berufung müsse der Beitritt den inhaltlichen (formalen) Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO genügen. Ob der Streithelfer an dem Beitritt ein rechtliches Interesse gem. § 66 Abs. 1 ZPO habe, sei demgegenüber für seine Rechtsmittelbefugnis unerheblich.

Das Berufungsgericht müsse bei einer Berufungseinlegung durch einen Streithelfer auch dann prüfen, ob der Beitritt den Anforderungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 ZPO genüge, wenn der Beitritt bereits erstinstanzlich mit der Einlegung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil verbunden worden sei. Das Berufungsgericht habe deshalb zu Recht geprüft, ob die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 ZPO spätestens im Zeitpunkt der Einlegung der Berufung vorlagen. Dies habe es ohne Rechtsfehler verneint.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall klagt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K gegen einen Wohnungseigentümer B auf Hausgeld. B wehrt sich nicht – warum ist leider unbekannt. Für den B will sich ein Streithelfer wehren. Dazu muss der Streithelfer einen Schriftsatz beim Prozessgericht einreichen. Wird dieser Schriftsatz mit der Einlegung eines Rechtsmittels verbunden, muss er hingegen beim Rechtsmittelgericht eingereicht werden. Der Schriftsatz muss die Bezeichnung der Parteien und des Rechtsstreits, die bestimmte Angabe des Interesses, das der Streithelfer hat, und die Erklärung des Beitritts enthalten.

Fehlende Mitteilung des Interesses

Im Fall hat S sein Interesse, dem Streit beizutreten, nicht erklärt. Das musste er aber: Verbindet der Streithelfer den Beitritt mit einem Rechtsbehelf, müssen auch die besonderen (formalen) Voraussetzungen für den Beitritt erfüllt sein, wobei es unerheblich ist, in welcher Instanz der Beitritt erfolgt. Anders ist es, wenn der Beitritt ohne gleichzeitige Einlegung eines Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs während des laufenden Verfahrens erklärt wird. Dann ist die von Amts wegen vorzunehmende Prüfung des Gerichts auf die persönlichen Prozesshandlungsvoraussetzungen beschränkt, also darauf, ob die Partei-, Prozess- und Postulationsfähigkeit gegeben sind. Die besonderen Voraussetzungen der Streithelfe werden dann nur auf Antrag einer Hauptpartei und nur im Verfahren nach § 71 ZPO geprüft.

6 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 24.11.2022, V ZB 29/22

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