1 Leitsatz
Wird der Stromverbrauch einer in einem Mehrparteienhaus gelegenen und vermieteten Wohnung über einen Zähler erfasst, der ausschließlich dieser Wohnung zugeordnet ist, richtet sich die in der Bereitstellung von Strom liegende Realofferte des Versorgungsunternehmens regelmäßig nicht an den Hauseigentümer, sondern an den Mieter, welcher durch die seinerseits erfolgte Stromentnahme das Angebot konkludent annimmt.
2 Normenkette
WEG § 10
3 Entscheidung
BGH, Urteil v. 27.11.2019, VIII ZR 165/18
4 Sachverhalt
K nimmt auf dem Gebiet einer Gemeinde die Grundversorgung mit Strom wahr. Sie begehrt von B, dem Eigentümer eines dort gelegenen Mehrparteienhauses, 360,61 EUR für Stromlieferungen sowie Erstattung der Kosten für einen erfolglosen Sperrversuch i. H. v. 47,94 EUR. Der Stromverbrauch wird über Zähler erfasst, die jeweils einer bestimmten Wohnung zugeordnet sind. Die Stromlieferung betrifft eine vom Mieter X gebrauchte Wohnung. Fraglich ist, mit wem K ein Vertrag verbindet.
5 Die Entscheidung
Nach Ansicht des BGH verbindet K mit X ein Vertrag. In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens sei ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags zu sehen. Diese werde von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnehme. Empfänger der Realofferte sei typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübe. Vertragspartei sei danach X geworden. Das Angebot der K habe sich an X gerichtet. Nur diesem habe aufgrund des Mietvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die sich in der Wohnung befindlichen Versorgungseinrichtungen zugestanden.
Hinweis
In dem Leistungsangebot eines Versorgungsunternehmens ist, wie vom BGH ausgeführt, grundsätzlich ein Vertragsangebot zum Abschluss eines Versorgungsvertrags in Form einer sog. Realofferte zu sehen. Diese wird von demjenigen konkludent angenommen, der aus dem Leitungsnetz Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwärme entnimmt. Dieser Rechtsgrundsatz, der auch in § 2 Abs. 2 der Verordnungen über die Allgemeinen Bedingungen für die (Grund-)Versorgung mit Energie und Wasser (StromGVV, GasGVV, AVBWasserV, AVBFernwärmeV) zum Ausdruck kommt, trägt der Tatsache Rechnung, dass in der öffentlichen leitungsgebundenen Versorgung die angebotenen Leistungen vielfach ohne ausdrücklichen schriftlichen oder mündlichen Vertragsschluss in Anspruch genommen werden. Er zielt darauf ab, einen ersichtlich nicht gewollten vertragslosen Zustand bei den zugrunde liegenden Versorgungsleistungen zu vermeiden. Aus der maßgebenden Sicht eines objektiven Empfängers stellt sich typischerweise die Vorhaltung der Energie und die Möglichkeit der Energieentnahme an den ordnungsgemäßen Entnahmevorrichtungen nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung der Verkehrssitte als Leistungsangebot und damit als Vertragsangebot dar. Die Inanspruchnahme der angebotenen Leistung beinhaltet – auch bei entgegenstehenden ausdrücklichen Äußerungen – die schlüssig erklärte Annahme dieses Angebots.
Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte ist typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Dies kann, wie der Fall zeigt, auch ein Mieter oder Pächter sein, dem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassene Miet- oder Pachtsache eingeräumt ist. Dabei ist es unerheblich, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende Objekt sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübt.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Der Fall spielt im Mietrecht. Die Aussagen gelten aber "1:1" auch im Wohnungseigentumsrecht. Auch hier ist häufig zu klären, wem eine Realofferte gemacht worden ist. Besteht für eine Wohnungseigentumsanlage ein Anschluss- und/oder ein Benutzungszwang, sagt selbst das nichts darüber aus, wer tatsächlich miteinander kontrahiert hat. Denn das Zivilrecht enthält jenseits des Vertrags keine Verpflichtung des Adressaten eines Anschluss- und Benutzungszwangs, die Gebühren für die Wasser-/Abwasserversorgung zu zahlen. Auch in Fällen eines Anschluss- und/oder ein Benutzungszwangs ist also immer zu klären, ob der dadurch Verpflichtete oder die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das Vertragsangebot des Trägers der Daseinssorge angenommen hat.
In der Regel wird das Angebot eines Versorgers – auch wenn ein Anschluss- und/oder ein Benutzungszwang besteht – von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer angenommen. Die Annahme liegt darin, dass die Wohnungseigentümer die vom Versorger zur Verfügung gestellten Leistungen nutzen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer muss sich die Handlungen der Wohnungseigentümer zurechnen lassen, was aus § 27 Abs. 3 Satz 2 WEG ableitbar ist. Für einen so gedachten Vertragsschluss spricht entscheidend, dass ...