Rz. 277
Die verklagte Mietpartei kann gegen die klagende Mietpartei bei dem Gericht der Klage Widerklage erheben, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch oder mit den gegen ihn vorgebrachten Verteidigungsmitteln in Zusammenhang steht. Dieser prozessuale Zusammenhang ist weit auszulegen. Der Zusammenhang mit der Klage ist zu bejahen, wenn mindestens eine der anspruchsbegründenden Tatsachen der Klage und der Widerklage demselben zur Entscheidung gestellten Sachverhalt entnommen wird. Das ist der Fall, wenn der Mieter gegenüber der Klage des Vermieters auf Zahlung restlicher (geminderter) Miete Widerklage auf Rückzahlung der wegen der Minderung nur unter Vorbehalt gezahlten Miete verlangt. Der notwendige prozessuale Zusammenhang ist aber auch dann zu bejahen, wenn der Mieter gegenüber der Klage des Vermieters auf Zahlung restlicher (geminderter) Miete Widerklage auf Feststellung der Minderungsberechtigung auch für die anschließende Zeit oder auf Mängelbeseitigung erhebt. Dasselbe gilt, wenn der Mieter gegenüber der Klage des Vermieters auf Zahlung restlicher (geminderter) Miete Widerklage auf Feststellung der Beendigung des Mietverhältnisses zu einem früheren oder späteren Termin erhebt. Trifft eine Klage auf vertragliche Leistung mit einer Widerklage zusammen, mit der diese vertragliche Verpflichtung geleugnet wird, so handelt es sich gebührenrechtlich um nämliche Streitgegenstände i. S. d. §§ 45 Abs. 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG (BGH, Beschluss v. 2.11.2005, XII ZR 137/05, NZM 2006, 138 im Anschluss an Senatsbeschluss v. 17.3.2004, XII ZR 162/00, ZMR 2004, 494).
Die Widerklage ist auch dann zulässig, wenn der Gegenanspruch mit den gegen die Klage vorgebrachten Einwendungen und Einreden in Zusammenhang steht. Das wäre der Fall, wenn der Mieter gegenüber der Klage des Vermieters auf Zahlung restlicher (geminderter) Miete mit einem Anspruch auf Rückzahlung der unter Vorbehalt gezahlten Miete (oder Auszahlung eines Betriebskostenguthabens) aufrechnet und Widerklage auf Rückzahlung des verbleibenden Differenzbetrages erhebt. Eine in zweiter Instanz erhobene Widerklage kann auf Tatsachenstoff gestützt werden, der in erster Instanz zwar vorgetragen worden ist, für die Entscheidung über die Klage aber unerheblich war (BGH, Urteil v. 13.1.2012, V ZR 183/10, NJW-RR 2012, 429).
Ein Sonderfall ist die Widerklage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Der Mieter kann der Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum widersprechen und vom Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die vertragsmäßige Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist (§ 574 Abs. 1 Satz 1).
Rz. 278
Unbeachtlichkeit der Härtegründe
Die Härtegründe können im Einzelfall gemäß § 574 Abs. 1 Satz 2 unbeachtlich sein, wenn die Pflichtverletzungen des Mieters den Vermieter auch zum Ausspruch einer - tatsächlich erklärten - außerordentlichen Kündigung berechtigt haben (vgl. BGH, Urteil. v. 9.11.2016, VIII ZR 73/16, WuM 2017, 23; LG Berlin, Beschluss v. 6.3.2018, 67 S 22/18, GE 2018, 513).
Rz. 279
Der Widerspruch des Mieters hat keine rechtsgestaltende Wirkung, die automatisch zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würde. Ein wirksamer Widerspruch begründet nur einen Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses. Da die Wirksamkeit der Kündigung durch die Erhebung des Widerspruchs nicht berührt wird, bedarf es zur Fortsetzung des Mietverhältnisses einer Einigung der Mietvertragsparteien oder eines entsprechenden Urteils (§ 574a Abs. 2). Verlangt der Mieter Fortsetzung, so ist auch ohne prozessualen Antrag über die Fortsetzung zu entscheiden (§ 308a Satz 1 ZPO). Der Mieter kann die Entscheidung des Gerichts über die Verlängerung oder Fortsetzung des Mietverhältnisses aber auch dadurch herbeiführen, dass er Klage oder Widerklage mit dem Antrag auf Verurteilung des Vermieters zur Vertragsfortsetzung erhebt. Diese Fortsetzungsklage kann auch mit der Klage des Mieters auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung oder des Fortbestands des Mietverhältnisses verbunden werden. Da das Gericht zunächst prüfen muss, ob die Kündigung überhaupt wirksam ist, ist zunächst über die Feststellungsklage des Mieters auf Unwirksamkeit der Kündigung zu entscheiden. Daher sollte die Fortsetzungsklage nur hilfsweise neben der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung erhoben werden. Der Vermieter kann gegenüber der selbständigen Fortsetzungsklage des Mieters Widerklage auf Räumung erheben. Das Rechtsschutzbedürfnis für die selbständige Fortsetzungsklage des Mieters entfällt dadurch nicht. Umstritten ist, ob umgekehrt der Mieter gegenüber der Räumungsklage des Vermieters Widerklage auf Fortsetzung des Mietverhältnisses erheben kann (bejahend LG Berlin, Urteil v. 10.11.2003, 62 S 25/03, GE 2004, 235 [236]). Wird diese als zulässig a...