Entscheidungsstichwort (Thema)

Reha. Jugendwerkhof. Kinderheim. haftähnliche Bedingungen. Freiheitsentziehung. Änderung der Rechtsprechung

 

Leitsatz (amtlich)

Aufgrund der Änderung des § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG zum 09.12.2011 prüft das Gericht bei der Entscheidung über die strafrechtliche Rehabilitierung der Unterbringung in einem Kinderheim nicht mehr, ob die Unterbringung im konkreten Fall unter haftähnlichen Bedingungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StrRehaG stattgefunden hat (Anschluss an OLG Naumburg, Beschluss vom 13.04.2011, 2 Ws Reh 9/11).

 

Normenkette

StrRehaG § 2

 

Verfahrensgang

LG Erfurt (Entscheidung vom 17.12.2010; Aktenzeichen 1 Reha 96/09)

 

Tenor

1. Der Beschluss der 1. Kammer für Rehabilitierungssachen des Landgerichts Erfurt vom 17.12.2010 wird aufgehoben.

2. Die durch Verfügung des Referats Jugendhilfe der Stadt Erfurt angeordnete Heimerziehung sowie die erfolgte Einweisung in das Kinderheim in der S in E werden für rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben.

3. Es wird festgestellt, dass der Betroffene vom 01.05.1953 bis zum 31.12.1957 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten hat.

4. Verfahrenskosten werden nicht erhoben. Die notwendigen Auslagen des Antragstellers fallen der Staatskasse zur Last

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt seine Rehabilitierung wegen der Unterbringung im Kinderheim in der S in E. Er sei dort zeitnah nach seiner Geburt bis zum Ende des Jahres 1957 untergebracht gewesen. Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Das Landgericht Erfurt hat den Rehabilitierungsantrag des Betroffenen zurückgewiesen. In ihrer Entscheidung ist die Kammer davon ausgegangen, dass die Heimeinweisung des Betroffenen Ausdruck der politischen Verfolgung der Familie des Betroffenen gewesen sei. Ohne politische Verfolgung der Eltern wäre der am 24.04.1953 geborene Antragsteller nicht in dem Kinderheim untergebracht worden. Eine Rehabilitierung hat das Landgericht dennoch abgelehnt, weil die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 StrRehaG a.F. nicht vorgelegen hätten. Denn ein Leben unter haftähnlichen Bedingungen, mithin eine Freiheitsentziehung im Sinne des Gesetzes, sei nicht feststellbar.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde, mit der er weiterhin seine vollständige Rehabilitierung begehrt.

Die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift an den Senat vom 17.03.2011 beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen für eine strafrechtliche Rehabilitierung wegen der erfolgten Unterbringung in einem Kinderheim liegen vor.

Der Antrag auf Rehabilitierung ist nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG in der Fassung vom 02.12.2010, den die Rehabilitierungskammer des Landgerichts Erfurt in seine Erwägungen noch nicht einbezogen hat, begründet.

Das Landgericht hat in seiner Entscheidung aufgrund des schlüssigen und glaubhaften Antragsvorbringens zutreffend angenommen, dass die Heimunterbringung des Betroffenen im Zusammenhang mit der politischen Verfolgung der Eltern stand und auch ihrerseits der politischen Verfolgung gedient hat. Dem schließt sich der Senat an.

Die Kammer hat ihre die Rehabilitierung ablehnende Entscheidung im Wesentlichen mit der konkreten Unterbringungssituation des Betroffenen begründet, die nicht als Freiheitsentziehung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StrRehaG a.F. gelten könne. Dies entsprach der bis zum 08.12.2010 gegebenen Gesetzeslage.

§ 2 Abs. 1 StrRehaG lautet in der ab dem 09.12.2010 geltenden Fassung nunmehr wie folgt:

"Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf eine außerhalb eines Strafverfahrens ergangene gerichtliche oder behördliche Entscheidung, mit der eine Freiheitsentziehung angeordnet worden ist, entsprechende Anwendung. Dies gilt insbesondere für eine Einweisung in eine psychiatrische Anstalt sowie eine Anordnung einer Unterbringung in einem Heim für Kinder oder Jugendliche, die der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat."

Nach dieser jetzt geltenden Gesetzesfassung wird in den Fällen, in denen die Anordnung einer Heimerziehung der politischen Verfolgung oder sonst sachfremden Zwecken gedient hat, der freiheitsentziehende Charakter einer solchen Heimerziehung gesetzlich unterstellt. Die Gerichte haben nicht mehr zu prüfen, ob sich die Unterbringung im konkreten Fall zumindest unter haftähnlichen Bedingungen im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 StrRehaG vollzogen hat. Damit folgt der Senat dem Oberlandesgericht Naumburg (Beschluss vom 13.04.2011, 2 Ws Reh 9/11).

Dies führt dazu, dass die angeordnete Heimerziehung des Betroffenen durch das Referat Jugendhilfe des Rates der Stadt Erfurt aus dem Jahre 1953 nach § 2 Abs. 1 Satz 2 StrRehaG für rechtsstaatswidrig zu erklären und aufzuheben ist.

Der Betroffene hat im Zeitraum von Mai 1953 bis zum 31.12.1957 zu Unrecht Freiheitsentziehung erlitten. Bei der Bestimmung dieses Zeitraums geht der Sena...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge