Leitsatz (amtlich)
Ein Fußgänger muss sich auf die winterlichen Verhältnisse zur Unfallzeit einzustellen und in eigenem Interesse Unfall verhütende Maßnahmen ergreifen, wenn er eine Straße direkt gegenüber einer Bushaltestelle überquert, obwohl es sich dabei nicht um einen markierten Fußgängerüberweg handelt. Dazu gehört auch, besondere Gefahren (z.B. eine besondere Glättebildung auf dem gewählten Überweg) - wenn möglich - zu umgehen. Lässt sich einer solchen Gefahr nicht ausweichen, muss er sich - bei ansonsten verkehrsgerechten Verhalten - die Frage stellen, ob es notwendig war, sich dieser Gefahr auszusetzen, wobei die Chancen, die Gefahr gleichwohl zu meistern (Grad der Beherrschbarkeit) und die Intensität der drohenden Rechtsgutverletzung (Grad der Gefährlichkeit) zu berücksichtigen sind.
Denn eine Gemeinde muss nicht uneingeschränkt Fußgängerüberwege bestreuen, wenn hierfür kein echtes Verkehrsbedürfnis besteht. Ein (echtes) Verkehrsbedürfnis ist insbesondere dann nicht gegeben, wenn der (vom Fußgänger benutzte) Überweg (über eine Straße) lediglich zur Abkürzung und aus reiner Bequemlichkeit gewählt wird.
Normenkette
ThürStrG § 49 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Erfurt (Urteil vom 20.01.2012; Aktenzeichen 3 O 1573/11) |
Tenor
Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Erfurt vom 20.1.2012 - 3 O 1573/11 - durch (einstimmigen) Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Kläger erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 3.8.2012.
Gründe
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schmerzensgeld und (materiellen) Schadensersatz wegen eines Sturzereignisses am 28.12.2010 gegen 21.20 Uhr im Bereich einer Bushaltestelle (O./Abfahrt Berghotel) in L. in Anspruch. Er sei bei dem Versuch, die dort befindliche Straße L 3247 zu überqueren, wegen fehlender Abstumpfungen auf der Schnee bedeckten Straße zu Fall gekommen und habe dabei Kopf- und Zahnverletzungen sowie Prellungen an beiden Knien erlitten. Wegen der erlittenen Verletzungen und wegen der Weigerung der Beklagten zu zahlen hält er ein Schmerzensgeld von insgesamt nicht unter 3.000 EUR für angemessen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich den Unfallhergang (mit Nichtwissen) bestritten; ferner ist sie der Auffassung, keine Verkehrssicherungspflichten schuldhaft verletzt zu haben.
Nach ihrem unbestritten gebliebenen (weiteren) Vortrag hat sie die ihr (nach dem ThürStrG) obliegenden Winterdienstpflichten auf die Streitverkündete übertragen (s. auch ihr Schreiben v. 10.2.2011, Bl. 13 d.A.). Unabhängig davon hält sie auch eine Verletzung von Streupflichten durch die Streitverkündete an der Unfallstelle nicht für gegeben, weil sich der Unfall nicht auf einem markierten Fußgängerüberweg, im Übrigen auch nicht auf einer für eine Fahrbahnüberquerung notwenigen Stelle gehandelt habe. Hierzu bezieht sie sich auf die höchst- und obergerichtliche Rechtsprechung, wonach Streupflichten nur für unentbehrliche Fußgängerüberquerungen, für die ein entsprechendes Verkehrsbedürfnis bestehe, angenommen werden könnten (s. dazu ihre Einlassung vom 19.9.2011, dort Bl. 4).
Das LG hat - nach persönlicher Anhörung des Klägers im Termin vom 20.1.2012 - die Klage abgewiesen. Es hat unter Dahingestellt sein lassen eventueller Kontroll- und Überwachungspflichten der Beklagten (hinsichtlich der auf die Streitverkündete übertragenen Winterdienstpflichten) eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten an der Unfallstelle verneint, weil es sich nicht um einen notwendigen Fußgängerüberweg gehandelt habe, im Übrigen eine Streupflicht zur Unfallzeit nicht bestanden habe. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das genannte Urteil des LG Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner rechtzeitig erhobenen und rechtzeitig begründeten Berufung. Er rügt, das LG habe nicht die Änderung des Thüringer Straßengesetzes zum 1.10.2003 berücksichtigt. Im Übrigen liege die streitgegenständliche Bushaltestelle mitten im Ort (einem Winterurlaubsort), bei dem vom Kläger gewählten Übergang über die L 3247 (weiterführende Straße der B 247) handele es sich um einen unentbehrlichen Überweg, weil es den einzigen Zugang zur Bushaltestelle darstelle, dieser also entsprechend abzusichern sei.
Dies bestreitet die Beklagte; sie meint, der Kläger habe auch an anderer - nicht auf Höhe der Bushaltestelle, ungefährlicherer - Stelle die Straße überqueren können.
II. Die (zulässige) Berufung des Klägers ist offensichtlich unbegründet. Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass (auch) die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO in der (neuen) Fassung vom 21.10.2011 (BGBl. I, 2082) für eine Zurückweisung der Berufung durch Beschluss vorliegen. Der Rechtssache kommt ferner keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung zu und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Senats im Urteilsverfahren. Darüber hinaus zeigt die Berufung auch keine Grün...