Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung der Nichtabhilfeentscheidung bei neuem Vorbringen

 

Leitsatz (amtlich)

Aufforderung und Fristsetzung zur Glaubhaftmachung im Rahmen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe

Hilft das AG der (PKH-)Beschwerde nicht ab, so ist die (Nichtabhilfe-)Entscheidung dann zu begründen, wenn die Beschwerde neue Tatsachen oder Gesichtspunkte vorträgt. Eine Begründung darf sich nicht darin erschöpfen, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug zu nehmen.

Entscheiden darf das Gericht erst nach Aufforderung und Fristsetzung zur Glaubhaftmachung hinsichtlich der Tatsachen, aus denen sich die Hilfebedürftigkeit herleitet (§ 118 Abs. 2 S. 4 ZPO).

 

Normenkette

ZPO § 118 Abs. 2 S. 4, § 127 Abs. 2 S. 3; FamFG § 68 Abs. 1 S. 2; ZPO § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 Abs. 1 S. 1, §§ 571-572

 

Verfahrensgang

AG Hildburghausen (Beschluss vom 01.02.2010; Aktenzeichen 1 F 2/10)

 

Tenor

I. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das AG - Familiengericht - Hildburghausen zurückverwiesen.

II. Eine Kostenentscheidung sowie die Festsetzung des Beschwerdewertes sind im Verfahren über die Prozesskostenhilfe nicht veranlasst.

 

Gründe

Die Senatsentscheidung richtet sich gem. Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG nach dem seit dem 1.9.2009 geltenden Recht.

Die gem. § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. § 568 Abs. 1 S. 1 ZPO vom Einzelrichter zu bescheidende, nach § 76 Abs. 2 FamFG i.V.m. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 Satz 1, 127 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der angefochtene Beschluss ist wegen eines wesentlichen Verfahrensfehlers aufzuheben und die Sache gem. § 572 ZPO zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen. Denn das AG hat sich mit dem Beschwerdevorbringen nicht erkennbar auseinandergesetzt.

Gemäß § 572 ZPO hat das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde, wenn es sie für begründet erachtet, abzuhelfen, andernfalls die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen. In jedem Fall besteht die Amtspflicht des Gerichts, dessen Entscheidung angefochten wird, zunächst zu prüfen, ob die Beschwerde begründet ist (Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., § 572 Rz. 4). Dabei sind mit Rücksicht auf § 571 ZPO vorgebrachte neue Tatsachen zu beachten und in die Prüfung einzubeziehen (OLG Hamm MDR 1988, 871; OLG Köln FamRZ 1986, 487). Denn mit § 571 ZPO wird der Zweck verfolgt, die Kosten verursachende Befassung des Beschwerdegerichts mit der Sache zu vermeiden, wenn gebotene Korrekturen der Erstentscheidung unschwer durch das Erstgericht selbst vorgenommen werden können (Zöller/Heßler, a.a.O., § 572, Rz. 1).

Lediglich Endentscheidungen in Familiensachen (§ 68 Abs. 1 S. 2 FamFG) werden von der Abhilfemöglichkeit ausgenommen (Meysen/Finke, FamFG, § 68 Rz. 2).

Hilft das erstinstanzliche Gericht der Beschwerde nicht ab, so ist diese Entscheidung jedenfalls dann zu begründen, wenn in der Beschwerde neue Tatsachen oder Gesichtspunkte vorgetragen werden, die das Erstgericht für widerlegt oder unerheblich hält (OLG Köln FamRZ 1986, 487; Zöller/Heßler, a.a.O., § 572 Rz. 7). Eine solche Begründung darf sich nicht darin erschöpfen, auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses zu verweisen (OLG Hamm MDR 1991, 452; Zöller/Heßler, a.a.O., § 572 Rz. 11). Denn dann ist nicht erkennbar, dass sich das Erstgericht mit dem maßgeblichen materiellen Vorbringen überhaupt befasst hat (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 1991, 349, 350). Da in einem solchen Fall die maßgeblichen Ausführungen des Beschwerdeführers völlig übergangen werden (vgl. OLG Brandenburg FamRZ 2000, 1098 [1099]; Zöller/Heßler, § 572 Rz. 27 f.) liegt ein erheblicher Verfahrensmangel vor, der die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung durch das Beschwerdegericht und die Zurückverweisung an das Gericht der ersten Instanz gebietet. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend der Beschluss des AG aufzuheben und die Sache zur erneuten Befassung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das AG den Antrag des Antragsgegners auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit der Begründung zurückgewiesen, er habe angegeben, keine Einkünfte zu haben, zudem bestünden eine persönliche Haftungsinanspruchnahme aus Bürgschaften mit bis zu acht Millionen EUR. Nachweise habe der Antragsgegner nicht vorgelegt. Der Antragsgegner habe sich daher so behandeln zu lassen, als verfüge er über die notwendigen finanziellen Mittel zur Prozessführung.

Vorliegend werde Verfahrenskostenhilfe für ein Eilverfahren geltend gemacht. Gerade aus dem Charakter eines solchen Verfahrens und dessen damit verbundenen zeitlichen Rahmen sei zu schließen, dass das Gericht erwarten durfte, dass die Verfahrensbeteiligten für die erforderlichen Prüfungen hinreichend vortragen und belegen. Dies sei jedoch weder vorab schriftlich noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 1.2.2010 erfolgt.

Mit der Beschwerde vom 11.3.2010 trägt der Antragsgegner vor, er sei, nachdem d...

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