Leitsatz (amtlich)
1. Dem Rückgewähranspruch des Insolvenzverwalters aus §§ 134, 143 InsO auf Rückzahlung ausgeschütteter Scheingewinne können durch den Anleger die ihm gegen die Insolvenzschuldnerin vor deren Insolvenz als aufrechenbare Forderungen zustehenden Schadensersatzansprüche entgegen gehalten werden. Hiervon erfasst wird der Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Einlage, wie auch des Agios und des entgangenen Zinsgewinnes.
2. Für die Höhe ihm entgangener Zinsen kommt dem Anleger die Beweiserleichterung des § 252 Satz 2 BGB zugute, soweit er sich auf die Geltendmachung des gesetzlichen Zinssatzes nach § 246 BGB von 4 % beschränkt, sofern es sich um Geldbeträge handelt, die aufgrund ihrer Höhe erfahrungsgemäß nicht ungenutzt geblieben, sondern anderweitig angelegt worden wären.
Normenkette
InsO §§ 134, 143, 94, 96 Abs. 1 Nr. 1; BGB §§ 252, 246
Verfahrensgang
LG Meiningen (Urteil vom 27.06.2007; Aktenzeichen 2 O 56/07) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG Meiningen vom 27.6.2007 - 2 O 56/07 (24), wie folgt abgeändert und neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.944,42 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.7.2005, sowie weitere 194,63 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.5.2006 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreites erster Instanz haben der Kläger 1/5 und der Beklagte 4/5 zu tragen.
Die Kosten des Rechtsstreites zweiter Instanz haben die Parteien je zur Hälfte zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger, der zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. K. GmbH bestellt worden ist, nimmt den Beklagten auf Rückzahlung erhaltener Auszahlungen gem. §§ 143 Abs. 1, 134 InsO in Anspruch.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage teilweise, nämlich unter Abzug von Gegenforderungen des Beklagten für entgangene Zinsen und einem Anspruch auf Rückzahlung des Agios stattgegeben.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, dem Kläger stehe ein Rückzahlungsanspruch nach §§ 134, 143 InsO zu. Dem Beklagten seien von der Schuldnerin lediglich Scheingewinne ausgezahlt worden, die als unentgeltliche Leistungen anzusehen seien. Dies ergebe sich daraus, dass es objektiv für diese Auszahlungen an einer Gegenleistung des Beklagten gefehlt habe. So hätten seine erbrachten Einlagen zwar dem Einsatz bei Termingeschäften gedient. Da die von den Anlegern eingezahlten Gelder aber nur zu einem geringen Teil in Termingeschäften für gemeinsame Rechnung angelegt worden seien, sei die Auszahlung der Scheingewinne nicht auf der Grundlage des zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages erfolgt, sondern habe die Gemeinschuldnerin nur vorgespiegelt, entsprechend diesem Geschäftsbesorgungsvertrag gewinnträchtige Termingeschäfte getätigt zu haben.
Soweit der Beklagte demgegenüber subjektiv angenommen habe, dass sich die Gemeinschuldnerin vertragsgerecht verhalten habe und ihm echte Gewinne ausgezahlt worden seien, sei dies unerheblich und könne eine Entgeltlichkeit unter Anfechtungsgesichtspunkten nicht begründen. Eine solche lasse sich ferner auch nicht daraus herleiten, dass die Gemeinschuldnerin mit der Auszahlung der Scheingewinne das Schneeballsystem aufrecht erhalten habe, womit die Zuwendungen im wirtschaftlichen Interesse der Gemeinschuldnerin gestanden hätten. Zur Begründung der Entgeltlichkeit einer Leistung reiche nicht jedes beliebige wirtschaftliche Interesse bzw. jede Motivation aus. Auch könne das Interesse der Gemeinschuldnerin an der Verschleierung ihres rechtswidrigen Verhaltens nicht als Entgelt für die von dem Beklagten erbrachten Zahlungen angesehen werden. Vielmehr stelle dieses Interesse nur eine einseitige Vorstellung der Schuldnerin über mögliche Vorteile dar, welches in keiner rechtlichen Abhängigkeit zu den von dem Beklagten erbrachten Zahlungen stehe.
Da die Auszahlung der Scheingewinne zudem im Anfechtungszeitraum des § 134 Abs. 1 InsO erfolgt sei, stehe dem Kläger damit grundsätzlich ein Rückzahlungsanspruch gegen den Beklagten zu.
Diesem Anspruch könne der Beklagte jedoch - zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen zu § 814 BGB - seine Gegenansprüche auf Ersatz der ihm entgangenen Zinsen und seinen Anspruch auf Rückzahlung des Agios entgegenhalten.
Der Wertungswiderspruch zu § 814 BGB ergebe sich dabei daraus, dass dem Kläger bei uneingeschränkter Anwendung der §§ 134, 143 InsO ein Anspruch auf Rückzahlung der ausgezahlten Scheingewinne zustehe, während umgekehrt ein Aufrechnungsanspruch des Beklagten gegen diesen Rückforderungsanspruch daran scheitern würde, dass der Anspruch des Klägers erst mit der Insolvenzeröffnun...