Leitsatz (amtlich)
Aus § 29 WHG ergibt sich eine kumulative Gewässerunterhaltungspflicht der Gebietskörperschaften und der Eigentümer von Anlagen im oder am Gewässer. Daran hat auch § 67 Abs. 4 ThürWG nichts geändert.
Verfahrensgang
LG Meiningen (Urteil vom 29.11.2004; Aktenzeichen 3 O 41/04) |
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Grundurteil des LG Meiningen vom 29.11.2004, AktZ. 3 O 41/04, wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin, die einen Überschwemmungsschaden ihrer Versicherungsnehmerin aus einem Schadensfall vom 2./3.1.2003 ersetzt hat, nimmt die Beklagte in Regress. Die eklagte verteidigt sich damit, dass die Überschwemmung durch Verstopfung eines Durchlassbauwerks unter einem Bahndamm der ... Bahn AG entstanden sei, die dadurch verursacht worden sei, dass sich ein im Durchlassbauwerk verlaufendes Stromkabel gelöst und im Bach ("...") gehangen habe, so dass sich angeschwemmtes Geäst und Unrat gestaut hätten. Es seien daher entweder die ... Bahn AG oder aber das Energieversorgungsunternehmen für den Schaden verantwortlich.
Von der weiteren Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
II. Die Berufung hat keinen Erfolg.
Sie ist zwar zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 511 Abs. 1, 2 Nr. 1, 517, 519, 520 ZPO).
Sie ist aber in der Sache unbegründet.
Denn das LG hat der Klage zu Recht dem Grunde nach stattgegeben.
1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund übergegangenen Rechts (§ 67 Abs. 1 S. 1 VVG) einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Dies hat das LG zutreffend erkannt. Hinsichtlich der Gewässerunterhaltungspflicht aus § 28 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und § 67 Thüringer Wassergesetz (ThürWG) ist § 823 Abs. 1 BGB einschlägige Anspruchsgrundlage (BGH v. 13.6.1996 - III ZR 40/95, MDR 1996, 1016 = NJW 1996, 3208 ff.; Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, § 28 Rz. 60). Zwar handelt es sich hierbei um eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung, wie § 67 Abs. 1 S. 1 ThürWG ausdrücklich besagt. Deshalb könnte man auch an § 839 BGB als Anspruchsgrundlage denken. Gleichwohl scheidet diese Vorschrift aus, da die Gewässerunterhaltungspflicht nur ggü. der Allgemeinheit besteht, nicht aber ggü. einem Anlieger als Dritten i.S.v. § 839 BGB (BGH v. 24.2.1994 - III ZR 4/93, BGHZ 125, 186 ff. = MDR 1994, 775 = NJW 1994, 3090 ff.; Rotermund, Haftungsrecht in der kommunalen Praxis, 2. Aufl. 2001, Rz. 464).
2. Die Beklagte hat ihre Gewässerunterhaltungspflicht verletzt.
a) § 28 WHG regelt nur die Mindestanforderungen der Gewässerunterhaltungspflicht (Feustel/Plassky, Wasserrecht des Freistaates Thüringen, 1. Aufl. 1994, Erläuterungen zu § 67). § 67 ThürWG regelt Näheres (Feustel/Plassky, Wasserrecht des Freistaates Thüringen, 1. Aufl. 1994, Erläuterungen zu § 67). Hierzu ermächtigte § 28 Abs. 1 S. 6 WHG den Landesgesetzgeber (Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, § 28 Rz. 37; Feustel/Plassky, Wasserrecht des Freistaates Thüringen, 1. Aufl. 1994, Erläuterungen zu § 67). Zur Gewässerunterhaltung gehört auch die Erhaltung eines ordnungsgemäßen Wasserabflusses (§ 28 Abs. 1 S. 5 WHG). Das bedeutet, dass die Stadt (Beklagte) verpflichtet war, die Äste etc. aus dem Bach herauszunehmen, da diese den Wasserabfluss behinderten. Sie kann sich nicht mit dem Hinweis darauf entlasten, dass erst die ... AG (Stromversorger) oder die ... Bahn AG das Stromkabel aus dem Bach herausnehmen müssten, das ein Hängenbleiben der Äste etc. verursacht habe. Denn eine solche Rangfolge sieht das Wasserrecht nicht vor. Hätte die Beklagte die Äste etc. beseitigt, so hätte das Wasser auch ungeachtet des Stromkabels abfließen können. Es liefe dem Sinn und Zweck der Unterhaltungspflicht zuwider, die einen möglichst reibungslosen Wasserabfluss herbeiführen will, wenn eine Gemeinde sich auf den Standpunkt stellen könnte, dass sie, sobald ein Stromkabel im Bach hängt, diesen nicht mehr von dadurch angestauten Ästen und Unrat reinigen müsse.
Bei dem Bach handelt es sich um ein Gewässer zweiter Ordnung, für das die Stadt gem. § 68 Abs. 1 Nr. 2 ThürWG zuständig ist. Gewässer erster Ordnung sind gem. § 3 Nr. 1 ThürWG nur diejenigen, die in der Anlage 1 zum Thüringer Wassergesetz genannt sind (z.B. die Saale, die Unstrut, die Weiße Elster). Gewässer zweiter Ordnung sind alle übrigen Gewässer (§ 3 Nr. 2 ThürWG).
Es ist nicht ersichtlich, dass die Wasserbehörde die Unterhaltungspflicht abweichend von § 68 Abs. 1 ThürWG gem. § 68 Abs. 3 ThürWG ganz oder teilweise auf einen Grundstückseigentümer oder Anlageneigentümer übertragen hat. Dazu ist nichts dargelegt.
b) Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus § 29 WHG nicht, dass allein die ... Bahn AG oder die ... AG (Stromversorger) für das Entfernen der Äste zuständig waren. Einschlägig sind hier allenfalls die Sätze 1 und 3 des § 29 Abs. 1 WHG. Gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 WHG obliegt die Gewässerunterhaltung, so...