Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vertrauensschutz auf Wirksamkeit der Widerrufs-Musterbelehrung
Leitsatz (amtlich)
1. Die nach § 355 Abs. 2 BGB mögliche Nachbelehrung gilt auch für Darlehensverträge, die vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geschlossen worden sind.
2. Zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung für einen in einer Haustürsituation geschlossenen Darlehensvertrag.
3. Der Lauf der Widerrufsfrist wird durch eine Widerrufsbelehrung, die die gesetzlichen Anforderungen nach § 355 Abs. 2 BGB nicht erfüllt, auch dann nicht in Gang gesetzt, wenn diese wörtlich der im Belehrungszeitpunkt gültigen Musterbelehrung gemäß Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO entspricht.
4. Der Vertrauensschutz des die Musterbelehrung Verwendenden darf das umgekehrt genauso schützenswerte Vertrauen des Verbrauchers darauf, dass die gesetzlichen Vorgaben nicht durch den Verordnungsgeber herabgesetzt werden, nicht verkürzen.
Normenkette
BGB §§ 187, 355, 358; BGBEG Art. 229 § 9 Abs. 2; BGB-InfoV Anl 2; BGB-InfoV vom 1.1.2003 § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Gera (Urteil vom 14.12.2009; Aktenzeichen 2 O 1780/08) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Gera vom 14.12.2009 - 2 O 1780/08, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die Kläger gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagte auf Feststellung fehlender Zahlungspflicht, Rückabtretung und Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Anspruch. Dem zugrunde liegt der Erwerb von 3 Anteilen an den WGS-Fonds Nr. 35, der von den Klägern durch Abschluss eines Darlehensvertrages finanziert wurde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gem. § 540 Abs. 1 ZPO auf die tatbestandlichen Feststellungen in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil Bezug genommen.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Kläger hätten den Darlehensvertrag wirksam widerrufen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Darlehensvertrag in einer Haustürsituation i.S.d. § 1 Abs. 1 Ziff. 1 HaustürWG geschlossen worden sei. Der mit Anwaltsschrift vom 20.6.2008 erklärte Widerruf sei auch nicht verfristet, da die Widerrufsfrist mangels einer, den Klägern erteilten ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung nicht zu laufen begonnen habe.
Zwar sei die den Klägern erteilte Nachbelehrung auch in einem, wie hier vorliegenden Altfall, nach § 355 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 229 § 9 Abs. 2 EGBGB noch möglich gewesen.
Die nachträgliche Widerrufsbelehrung sei aber ebenfalls fehlerhaft. Soweit dort nämlich darauf hingewiesen worden sei, dass die Frist frühestens mit Erhalt dieser Belehrung in Textform beginne, sei dies im Hinblick auf § 187 Abs. 1 BGB fehlerhaft, da danach die Frist frühestens am Tag nach Erhalt der Belehrung zu laufen beginnen könne. § 187 Abs. 1 BGB gehe insoweit als höherrangiges Recht der niederrangigen BGB-InfoVO vor.
Auch wenn die den Klägern nachträglich erteilte Widerrufsbelehrung dem unter Anlage 2 zu § 14 BGB-InfoVO abgedruckten Text in der 2003 geltenden Fassung entspreche, komme der Beklagten infolge dieses Fehlers in der Belehrung der Schutz des § 14 Abs. 2 und 3 InfoVO nicht mehr zugute.
Die Verjährungseinrede der Beklagten habe ebenfalls keinen Erfolg, da die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB infolge des am 20.6.2008 erklärten Widerrufes erst am 31.12.2008 zu laufen begonnen habe.
Aufgrund des Widerrufes stehe der Beklagten gegen die Kläger aus dem Darlehensvertrag kein Zahlungsanspruch mehr zu. Damit müsse die Beklagte den Klägern auch die abgetretenen Ansprüche aus den Lebensversicherungen zurück abtreten, sowie die Originalversicherungsscheine herausgeben, Zug um Zug gegen Übereignung der 3 Fondsanteile.
Ferner habe die Beklagte den Klägern als Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB deren vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten zu erstatten.
Gegen dieses, ihren Prozessbevollmächtigten am 21.12.2009 zugestellte Urteil des LG Gera hat die Beklagte mit einem vorab per Fax am 20.1.2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit weiterem, ebenfalls vorab per Fax am 5.3.2010 bei Gerichts eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor die Berufungsbegründungsfrist mit Verfügung vom10.2.2010 bis zum 22.3.2010 verlängert worden war.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass der von den Klägern erklärte Haustürwiderruf nicht fristgerecht erklärt worden sei.
Entgegen der von dem LG vertretenen Ansicht sei die Nachbelehrung wirksam und auch hinsichtlich des Fristbeginnes nicht fehlerhaft. Durch die hier vorliegende Widerrufsbelehrung werd...