1 Leitsatz
Ein Beschluss, der das Abstellen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in der Tiefgarage einer Wohnungseigentumsanlage verbietet, entspricht keiner ordnungsmäßigen Verwaltung.
2 Normenkette
§ 19 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Mieter M von Wohnungseigentümer K ist berechtigt, den Tiefgaragen-Stellplatz der K zu gebrauchen. M stellt dort ein sog. Hybrid-Fahrzeug ab. Die Wohnungseigentümer fassen daraufhin im August 2021 den Beschluss, der das Abstellen von elektrisch betriebenen Fahrzeugen in der Tiefgarage bis auf Weiteres untersagt. Die Wohnungseigentümer meinen, von den Lithium-Ionen-Akkus in elektrisch betriebenen Fahrzeugen gehe eine erhöhte Brandgefahr aus. Der Brand eines solchen Fahrzeugs sei wesentlich aufwändiger zu löschen als der eines benzinbetriebenen Autos.
Gegen diesen Beschluss geht K vor. Er meint, es fehle bereits an der Beschlusskompetenz. Zudem greife der Beschluss in sein Sondernutzungsrecht am Stellplatz ein und verstoße gegen das Ziel des Gesetzgebers, Elektromobilität zu fördern.
4 Die Entscheidung
Die Anfechtungsklage hat Erfolg! Der Beschluss sei allerdings nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Denn die Wohnungseigentümer seien berechtigt, Benutzungsbestimmungen für das gemeinschaftliche Eigentum und das Sondereigentum zu treffen, wobei eine Nutzungsregelung nicht so gefasst sein dürfe, dass sie das Sondernutzungsrecht eines Wohnungseigentümers aushöhle. Der Beschluss bewege sich in dem zulässigen Rahmen, weil nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt werde.
Der Beschluss widerspreche aber ordnungsmäßiger Verwaltung. Mit der WEG-Reform 2020 habe der Gesetzgeber jedem Wohnungseigentümer einen Anspruch verschafft, ihm auf eigene Kosten den Einbau einer Lademöglichkeit für ein elektrisch betriebenes Fahrzeug zu gestatten. Dieser Anspruch, der sich aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG ergebe, laufe durch ein Verbot, elektrisch betriebene Fahrzeuge in der Tiefgarage abzustellen, ins Leere. Der Beschluss widerspreche außerdem dem wesentlichen gesetzgeberischen Ziel der WEG-Reform, die Verbreitung der Elektromobilität zu fördern.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um eine Gebrauchsvereinbarung. Zu fragen ist, ob es möglich ist und ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht, zu verbieten, in Tiefgaragen elektrisch betriebene Fahrzeuge abzustellen.
Beschlusskompetenz
Soweit die Benutzung des gemeinschaftlichen Eigentums und des Sondereigentums nicht durch ein Gesetz oder durch eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer geregelt ist, können die Wohnungseigentümer über eine ordnungsmäßige Benutzung beschließen. Im Fall gibt es keine Vereinbarung.
Man kann aber fragen, ob ein Gesetz es erlaubt, elektrisch betriebene Fahrzeuge in einer Tiefgarage abzustellen. Zu denken ist zum einen an § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG. Der gibt einem Wohnungseigentümer einen Anspruch, angemessene bauliche Veränderungen zu verlangen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen. Diesem Anspruch wohnt die Idee des Gesetzgebers inne, dass man ein elektrisch betriebenes Fahrzeug in einer Tiefgarage abstellen darf. Zum anderen ist das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz (GEIG) zu nennen. Dieses zwingt unter den von ihm genannten Voraussetzungen sogar dazu, zu errichtende und bestehende Gebäude mit der vorbereitenden Leitungsinfrastruktur und der Ladeinfrastruktur für die Elektromobilität auszustatten.
Diesen beiden Gesetzen kann man ggf. ein Verbot entnehmen, im Vorfeld zu beschließen, das Abstellen elektrisch betriebener Fahrzeuge zu untersagen. Ob Gesetze allerdings bereits ein "Vorfeld" angreifen, dürfte noch nicht ausreichend diskutiert sein. Jedenfalls würde der Beschluss, der das Abstellen verbietet, einem Anspruch nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG oder Maßnahmen nach dem GEIG nicht entgegenstehen.
Ordnungsmäßige Verwaltung
Jeder Wohnungseigentümer kann nach § 18 Abs. 2 WEG von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer eine Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums verlangen, die dem Interesse der Gesamtheit der Wohnungseigentümer nach billigem Ermessen (ordnungsmäßige Verwaltung und Benutzung) und, soweit solche bestehen, den gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüssen entspricht. Entspricht ein wirksamer Beschluss diesem Maßstab nicht, ist er nach §§ 23 Abs. 4 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 1 WEG für ungültig zu erklären.
Das AG meint, diese Voraussetzungen seien erfüllt. Soweit es auf das gesetzgeberische Ziel abhebt, die Verbreitung der Elektromobilität zu fördern, erkennt es nicht, dass es darauf nach § 18 Abs. 2 WEG nicht ankommt. Und soweit es auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG blickt, sieht es nicht, dass der Beschluss einem Anspruch aus § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 WEG nicht entgegenstehen würde (der Wohnungseigentümer hätte einen Anspruch auf einen abändernden Zweitbeschluss). Es wäre daher besser gewesen, sich mit der behaupteten Brandgefahr zu beschäftigen. An dieser Stelle kann man dann u. a. § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG bzw. § 554 Abs. 1 Satz 1 BGB die Wertung entnehmen, dass nach einer Abwägung die Brandgefahr in der Regel zurückzustehen habe.
Mieter
Der Miet...