Problemüberblick
Im Fall geht es um 2 Fragen. Die eine ist die Frage, ob eine Beschlusskompetenz besteht, Wohnungseigentümer vollständig von den Erhaltungskosten für einen wesentlichen Gebäudebestandteil zu befreien. Die andere Frage ist, ob, wenn eine Beschlusskompetenz besteht, eine Änderung einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
Beschlusskompetenz
Das LG meint, sich der herrschenden Meinung anzuschließen. Diese hat sich aber mittlerweile geändert! § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG erlaubt es nach Ansicht des BGH, den Kreis der Kostenschuldner zu verändern, indem Wohnungseigentümer von der Kostentragung gänzlich befreit oder umgekehrt erstmals mit Kosten belastet werden. Werden Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die nach dem zuvor geltenden Umlageschlüssel von allen Wohnungseigentümern zu tragen sind, gemäß § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG einzelnen Wohnungseigentümern auferlegt, entspricht dies jedenfalls dann ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die beschlossene Kostenverteilung den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt (BGH, Urteil v. 22.3.2024, V ZR 81/23). Dieses Verständnis entspreche auch dem gesetzgeberischen Ziel des § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Auch das Gebot der Rechtssicherheit streite dafür, die Kompetenz der Wohnungseigentümer weit zu fassen. Denn eine Nichtigkeit wegen fehlender Beschlusskompetenz hätte zur Folge, dass dieser Mangel auch noch Jahre nach der Beschlussfassung geltend gemacht werden könnte.
Ordnungsmäßigkeit: Grundsatz
Die Wohnungseigentümer haben für die Änderung des geltenden Umlageschlüssels einen weiten Spielraum, und Änderungen werden in der Regel einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen. Die Besonderheit im Fall besteht darin, dass es um Erhaltungskosten geht. Zu prüfen ist, ob es einer ordnungsmäßigen Verwaltung entsprechen kann, dass nur bestimmte Wohnungseigentümer diese Kosten zu tragen haben. Dies ist zu bejahen, wenn der neue Umlageschlüssel den Gebrauch oder die Möglichkeit des Gebrauchs berücksichtigt. Das könnte bei dem Dach einer Tiefgarage so sein. Eine Frage der Lage der Dinge vor Ort.
Ordnungsmäßigkeit: Rückwirkungsverbot
Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führen, sind grundsätzlich unzulässig. Geht es aber um einen noch nicht abgeschlossenen Vorgang, ist eine Rückwirkung – soweit spezialgesetzliche Regelungen fehlen – hinzunehmen, wenn sich bei typisierender Betrachtung noch kein schutzwürdiges Vertrauen herausgebildet hat. So liegt es hier.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen wissen, dass es eine Beschlusskompetenz gibt, den Schuldnerkreis zu verändern – sowohl in die eine als auch in die andere Richtung – und es also möglich ist, einen Wohnungseigentümer erstmalig an Kosten zu beteiligen oder umgekehrt Wohnungseigentümer vollständig von den Kosten für eine bestimmte Position freizustellen. Außerdem müssen die Verwaltungen wissen, wann ein Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Hier müssen sie wissen, dass die Wohnungseigentümer ein weites Ermessen haben, abweichende Umlageschlüssel zu bestimmen. Ferner müssen sie wissen, dass bei Erhaltungsmaßnahmen grundsätzlich darauf zu achten ist, dass dem Gebrauch oder der Gebrauchsmöglichkeit Rechnung getragen wird.