1 Leitsatz
Als willkürlich und damit ermessensfehlerhaft ist die Änderung eines Umlageschlüssels insbesondere dann anzusehen, wenn sie aus sachfremden Erwägungen bestimmt wird und nur dem Interesse einzelner Wohnungseigentümer dient, die sich besserstellen wollen, ohne dass für den geänderten Umlageschlüssel inhaltliche Gründe sprechen, wenn also die Änderung der Kostenverteilung erkennbar nur den Zweck verfolgt, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von Kosten zu entlasten.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Es gibt in einer Wohnungseigentumsanlage 4 Wohnungseigentümer. Die Wohnungseigentümer 2 und 4 bestimmen gegen die Wohnungseigentümer 1 und 3 nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, dass die Kosten von Erhaltungsmaßnahmen, die Kosten der Wohngebäudeversicherung, die Kosten der Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung und Rechtskosten künftig nach Einheiten verteilt werden. Dagegen wendet sich Wohnungseigentümer K.
4 Die Entscheidung
Das LG meint, der Beschluss entspreche in Bezug auf die Kosten von Reparaturen, die Kosten für die Wohngebäudeversicherung sowie die Kosten für die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung keiner ordnungsmäßigen Verwaltung. Er sei willkürlich! Als willkürlich und damit ermessensfehlerhaft sei eine Änderung insbesondere dann anzusehen, wenn sie aus sachfremden Erwägungen erfolge und nur dem Interesse einzelner Wohnungseigentümer diene, die sich besserstellen wollen, ohne dass für den geänderten Umlageschlüssel inhaltliche Gründe sprächen, wenn also die Änderung der Kostenverteilung erkennbar nur den Zweck verfolge, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von Kosten zu entlasten. So liege es aber. Die Wohnungseigentümer 2 und 4 hätten die geltenden Umlageschlüssel zulasten von Wohnungseigentümer 1 und 3 geändert. Inhaltliche Gründe, die für eine Verteilung der Kosten nach der Anzahl der Einheiten anstelle nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile sprechen könnten, bestünden nicht. Insbesondere führe die Verteilung nach der Anzahl der Einheiten weder zu einem geringeren Verwaltungsaufwand noch zu einer höheren oder einer mit der Verteilung nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile gleichwertigen Kostengerechtigkeit, sondern benachteilige die Wohnungseigentümer 1 und 3 ungerechtfertigt. Dass die Änderung wegen des geringen Unterschieds der auf die einzelnen Einheiten entfallenden Anteile zu einer Kostenerhöhung bzw. einer Kosteneinsparung von lediglich 3 % bzw. 4 % führe, stehe nicht entgegen. Die Höhe der anfallenden Kosten für Reparaturen werde in der Regel maßgeblich durch die Größe des gemeinschaftlichen Gebäudes sowie die Anzahl der Bewohner beeinflusst. Ebenso hänge die Höhe der Versicherungsprämie für die Wohngebäudeversicherung und die Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung regelmäßig von der Wohnfläche ab, so dass größere Wohnungen regelmäßig auch zu einer höheren Versicherungsprämie beitrügen. Demgegenüber sei die Änderung der Verteilung der Rechtskosten nicht zu beanstanden. Die Kosten würden typischerweise von der Größe des Miteigentumsanteils nicht beeinflusst.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wann ein Umlage-Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
Umlage-Beschluss: Ordnungsmäßigkeit
Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des geltenden Umlageschlüssels ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Eine Änderung ist nicht an das Vorliegen eines sachlichen Grundes als eigene, von der ordnungsmäßigen Verwaltung unabhängige Voraussetzung gebunden. Die Wohnungseigentümer dürfen jeden Umlageschlüssel wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt. An die Auswahl eines angemessenen Umlageschlüssels dürfen keine strengen Anforderungen gestellt werden, weil sich jede Änderung zwangsläufig auf die Kostenlast des einen oder des anderen Wohnungseigentümers auswirkt.
Umlage-Beschluss: Willkür
Das LG meint der Sache nach, es sei willkürlich, den geltenden Umlageschlüssel "Miteigentumsanteile" auf "Anzahl der Einheiten" zu ändern, wenn dadurch ein Wohnungseigentümer mehr Kosten als bislang tragen müsse. Das überzeugt eher nicht als Merkmal der Willkür.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen wissen, wann ein Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht. Hier müssen sie wissen, dass die Wohnungseigentümer ein weites Ermessen haben, abweichende Umlageschlüssel zu bestimmen. Ferner müssen sie wissen, dass bei Erhaltungsmaßnahmen grundsätzlich darauf zu achten ist, dass dem Gebrauch oder der Gebrauchsmöglichkeit Rechnung getragen wird.
6 Entscheidung
LG München I, Urteil v. 20.9.2023, 1 S 9372/22 WEG