1 Leitsatz
Ein Beschluss über die Abänderung des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG muss dem Gleichbehandlungsgebot entsprechen, sodass vergleichbare in Zukunft auftretende Fälle gleich zu behandeln sind. Bei einer Änderung eines Umlageschlüssels im Einzelfall ist es jedoch nicht erforderlich, dass bereits dieser Beschluss regelt, dass in künftigen gleich gelagerten Fällen ein identischer Umlageschlüssel angewandt werden wird.
2 Normenkette
§ 16 Abs. 2 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen zwar, Dachflächenfenster in der Wohnung des K reparieren zu lassen. Die Kosten soll aber auch nur Wohnungseigentümer K tragen. Dieser klagt gegen eine solche Regelung.
4 Die Entscheidung
Ohne Erfolg! Der Beschluss nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG, mit dem lediglich K die Kosten für die Erneuerung der Dachflächenfenster in seiner Wohnung auferlegt worden seien, entspreche einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Denn die Wohnungseigentümer hätten ein weites Ermessen, inwieweit sie im Einzelfall oder generell von dem Umlageschlüssel des § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG oder einem vereinbarten Umlageschlüssel abweichen. Inhaltliche Vorgaben sehe das Gesetz nicht vor, um den Wohnungseigentümern aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts größtmögliche Flexibilität zu ermöglichen. Die Wohnungseigentümer dürften jeden Maßstab wählen, der interessengerecht sei, wobei insoweit nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden dürften, weil sich jede Änderung zwangsläufig auf die Kostenlast der anderen Wohnungseigentümer auswirke, sodass sowohl das "Ob" als auch das "Wie" der Änderung lediglich nicht willkürlich sein dürften. Diesen Maßstäben halte der Beschluss stand! Zwar sei der Einwand des K, jeder Beschluss über die Kostenverteilung müsse dem Gleichbehandlungsgrundsatz entsprechen, zutreffend. Dies bedeute auch, dass der Grundsatz der Maßstabskontinuität anzuwenden sei. Dies führe aber nicht dazu, dass der Beschluss keiner ordnungsmäßigen Verwaltung entspreche, weil nicht zugleich festgelegt worden sei, auch in künftigen Fällen so zu verfahren (Hinweis auf a. A. LG Stuttgart, Urteil v. 20.7.2022, 10 S 41/21, ZMR 2022 S. 825). Sehe man es so, wäre es faktisch unmöglich, Umlageschlüssel für den Einzelfall anzuordnen, die sich gerade dadurch auszeichneten, dass sie zukünftige Fälle nicht mitregelten. Geprüft werden müsse daher bei der Anfechtung des Beschlusses in dem zweiten Fall, in dem auch um die Frage gestritten werden könne, ob die Fälle vergleichbar seien.
5 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall geht es um die Frage, wann die Änderung eines Umlageschlüssel einer ordnungsmäßigen Verwaltung entspricht.
Streit der LG
Das LG Stuttgart meint, eine abweichende Kostenverteilung entspreche nur dann den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn in dem Erst-Beschluss für alle gleich gelagerten Erhaltungsmaßnahmen eine entsprechende abweichende Kostenverteilung beschlossen werde (LG Stuttgart, Urteil v. 20.7.2022, 10 S 41/21, ZMR 2022 S. 825). Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten werde, der Grundsatz der Maßstabskontinuität behalte nur noch als Gleichbehandlungsgebot für die Bewertung künftiger Umlageschlüssel eine Restfunktion (Hinweis u. a. auf Hügel/Elzer, WEG, 3. Auflage 2021, § 16 Rn. 51), werde übersehen, dass die Zurücksetzung des einzelnen Wohnungseigentümers bereits im Zeitpunkt des Beschlusses gegeben sei, weil für ihn, abweichend von den anderen Wohnungseigentümern, die gesetzliche Kostenverteilung nach Miteigentumsanteilen nicht mehr gelte. Das LG Frankfurt a. M. sieht es nicht so und meint, es reiche, die Maßstabskontinuität beim zweiten Beschluss, der auf § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG beruht, fruchtbar zu machen. So sehe ich das auch. Ist es nicht auch überzeugender?
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Die Verwaltungen müssen wissen, dass man über die Ordnungsmäßigkeit eines Beschlusses nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG derzeit streiten kann, wenn man spätere Reparaturen nicht in den Blick nimmt. Sie sollten die Wohnungseigentümer darauf hinweisen. Wie diese dann verfahren, haben die Verwaltungen hinzunehmen.
6 Entscheidung
LG Frankfurt a. M., Urteil v. 30.3.2023, 2-13 S 15/22