Alexander C. Blankenstein
Jeder, der einen Verkehr eröffnet, ist für dessen Sicherheit verantwortlich. Im Bereich des Wohnungseigentums sind es weite Bereiche des Gemeinschaftseigentums, die einen derartigen "Verkehr" darstellen bzw. ermöglichen:
- Zuwege zur Wohnanlage
- Zuwege/Zufahrten zur Tiefgarage
- Rasen- und Gartenflächen
- Spielplätze/Spielwiesen
- Treppenhaus
- Flure
Über diese Bereiche hinaus ist die Grundstücksbesitzerhaftung nach § 836 BGB von Relevanz. Wird insbesondere durch die Ablösung von Teilen des Gebäudes eine Person verletzt oder eine Sache beschädigt, haftet der Grundstücksbesitzer, so die Ablösung Folge insbesondere mangelhafter Unterhaltung ist.
Fehlen von Sicherungsbestimmungen
In weiten Bereichen konkretisieren öffentlich-rechtliche Sicherungs- und Verhaltenspflichten wie Bauvorschriften, Brandschutz-, Sicherheits- und Unfallverhütungsvorschriften, Baumschutzregelungen oder kommunale Satzungen die Verkehrssicherungspflicht. Hierbei handelt es sich regelmäßig um Schutzgesetze nach § 823 Abs. 2 BGB.
Die Verkehrssicherungspflicht entfällt im Umkehrschluss aber nicht, wenn derartige Bestimmungen fehlen.
Werden Verkehrssicherungspflichten verletzt und kommt es hierdurch zu einem Sach- oder Personenschaden, haftet der Verkehrssicherungsverpflichtete in erster Linie deliktisch nach § 823 BGB auf Schadensersatz. Kommt es infolge der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten zu einem Personenschaden, so kann der Geschädigte u. U. auch einen Schmerzensgeldanspruch geltend machen. Ein Schmerzensgeldanspruch kommt nicht nur dann in Betracht, wenn die Körperverletzung auf deliktischer Schadensverursachung beruht. § 253 Abs. 2 BGB begründet vielmehr auch Schmerzensgeldansprüche bei Vertragsverletzungen.
1.1 Zur Verkehrssicherung Verpflichtete
Die Verkehrssicherungspflicht trifft in erster Linie denjenigen, der ein Grundstück oder ein Gebäude anderen Personen zugänglich macht und somit einen "Verkehr" eröffnet. Er hat dann auch für einen verkehrssicheren Zustand zu sorgen. Sicherungsverpflichtet ist daneben grundsätzlich jeder, der in der Lage ist, über die Sache zu verfügen.
1.1.1 Wohnungseigentümergemeinschaft
Das Gemeinschaftseigentum ist Eigentum der Wohnungseigentümer in Form einer Bruchteilsgemeinschaft. Vom Grundsatz her sind also die Wohnungseigentümer zur Verkehrssicherung verpflichtet. Allerdings handelt es sich bei der Pflicht zu Verkehrssicherung um eine, die aus dem gemeinschaftlichen Eigentum resultiert und daher nach § 9a Abs. 2 WEG von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wahrgenommen wird. Da die Verkehrssicherungspflicht also eine den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich obliegende Verpflichtung darstellt und eng verbunden mit der Erhaltung des Gemeinschaftseigentums dem Bereich der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums unterliegt, nimmt die Verkehrssicherungspflicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wahr.
1.1.2 Dritte
Die der Gemeinschaft obliegende Verkehrssicherungspflicht kann auf einzelne Wohnungseigentümer oder Dritte übertragen werden. Werden die Verkehrssicherungspflichten teilweise auf Dritte, z. B. auf Reinigungs- oder Grundstücksbetreuungsunternehmen übertragen, sind diese faktisch auch für die Verkehrssicherung verantwortlich. Denn in diese ursprünglich der Gemeinschaft obliegende Verkehrssicherungspflicht ist die beauftragte Person mit der Folge eingetreten, dass sie insoweit selbst verkehrssicherungspflichtig wird. Die Pflicht der ursprünglich allein verantwortlichen Eigentümergemeinschaft reduziert sich dann auf Kontroll- und Überwachungspflichten:
- Das Drittunternehmen ist sorgfältig auszuwählen; ein Beschluss, den Winterdienst anstatt von Fremdfirmen durch die Einstellung von Minijobbern durchführen zu lassen, entspricht jedenfalls dann nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn die Wohnungseigentümer über die damit verbundenen Risiken und Pflichten nicht hinreichend informiert waren.
- das Drittunternehmen ist zu überwachen, wobei eine stichprobenartige Kontrolle freilich genügt.
Ist ein Verwalter bestellt, so obliegen ihm die Kontroll- und Überwachungspflichten auch ohne gesonderte Weisung der Wohnungseigentümer.
Vorsicht bei der Übertragung von Verkehrssicherungspflichten auf einzelne Eigentümer!
Sollen Verkehrssicherungspflichten in Form von Leistungspflichten auf einzelne Wohnungseigentümer übertragen werden, kann dies nur durch Vereinbarung erfolgen. Ein entsprechender Mehrheitsbeschluss wäre nichtig. Enthält die Gemeinschaftsordnung eine Öffnungsklausel, ist der Beschluss, der den Wohnungseigentümern Leistungspflichten auferlegt so lange schwebend unwirksam, bis der letzte belastete Wohnungseigentümer zustimmt. Verweigert er seine Zustimmung, wird der Beschluss insgesamt unwirksam bzw. nichtig. Da der BGH zwischenzeitlich das von ihm selbst geschaffene Rechtsinstitut des schwebend unwirksamen Beschlusses in Zweifel zieht, da es nach dem Wohnungseigentumsgesetz nur anfechtbare oder nichtige Besc...