Die Verkehrssicherungspflicht trifft bei Grundstücken und Gebäuden denjenigen, der über den Zugang zu dem Gefahrenbereich rechtlich und tatsächlich bestimmen kann. Auf die Eigentumsverhältnisse allein kommt es nicht an.
1.4.1 Verkäufer
Bei der Veräußerung eines Grundstücks kann allerdings entscheidend sein, wer zu welchem Zeitpunkt die Verkehrssicherungspflicht hatte – nämlich dann, wenn ein Dritter zu Schaden gekommen ist.
Oft wähnt sich der Verkäufer auf der sicheren Seite, weil nach dem notariellen Kaufvertrag "Besitz, Nutzungen, Gefahr und Lasten" bereits vor dem Schadensfall auf den Käufer übergegangen sind. Doch gehört zu den "Lasten" des Grundstücks nicht die allgemeine Verkehrssicherungspflicht, weil sie vom Eigentümer persönlich zu erbringen ist. Der Übergang der Verkehrssicherungspflicht sollte also im Notarvertrag ausdrücklich geregelt werden!
1.4.2 Mehrere Sicherungspflichtige
Für denselben Sachbereich können durchaus mehrere Personen verantwortlich sein, etwa der Vermieter neben dem Mieter oder Pächter, der Bauherr neben dem Bauunternehmer.
Auch den Verwalter einer Wohnungseigentumsanlage treffen Verkehrssicherungspflichten.
Gewerbliche Mieter betreiben ihre Geschäfte häufig in der Rechtsform der GmbH, die – wie der Name besagt – das Haftungsrisiko begrenzen soll. Wird allerdings Dritten ein Schaden aufgrund einer Verkehrssicherungspflichtverletzung zugefügt, kann auch der Geschäftsführer des Unternehmens persönlich zur Rechenschaft gezogen werden.
Falscher Beklagter
Mitunter ist fraglich, welche von mehreren ähnlich bezeichneten Firmen Eigentümerin eines bestimmten Grundstücks war und wer die Verkehrssicherungspflichten innehatte. Bei der Auswahl des richtigen Beklagten darf sich der Rechtsanwalt nicht auf unrichtige Angaben seines Mandanten, des Geschädigten, verlassen.
1.4.3 Delegierung auf Dritte
Die Verkehrssicherungspflicht des Grundstückseigentümers kann auf einen Dritten delegiert werden mit der Folge, dass dann der Dritte verantwortlich ist; eine rechtsgeschäftliche Übertragung ist insoweit nicht erforderlich, die faktische Übernahme genügt. Diese Übertragung führt jedoch nicht zum völligen Wegfall der Verkehrssicherungspflicht, vielmehr ist der ursprünglich Verpflichtete zur Überwachung und Instruktion des Dritten verpflichtet.
Die Verkehrssicherungspflicht bleibt also in Form einer allgemeinen Aufsichtspflicht bestehen.
Im Falle der Delegation auf einen Fachunternehmer verengt sich die Pflicht des Sicherungspflichtigen auf die Pflicht zur sorgfältigen Auswahl, Anleitung und Kontrolle des Unternehmers. Dann genügt er i. d. R. seinen Kontroll- und Überwachungspflichten, wenn er einmal im Monat eine unangekündigte Ortsbegehung durchführt.
In jedem Fall sollte der Pflichtenumfang klar umschrieben sein – beispielsweise wenn ein Reinigungsunternehmen mit Reinigungsarbeiten betraut wird oder wenn eine Gemeinde den Anliegern öffentlicher Straßen innerhalb geschlossener Ortschaften im Rahmen der Zumutbarkeit die Winterwartung auch für die Fahrbahnen überträgt.
1.4.4 Kontrollmaßnahmen des Vermieters
Hat der Eigentümer sein Haus vollständig vermietet, bleibt er jedenfalls zur regelmäßigen Kontrolle der Mieter verpflichtet. Er muss eingreifen, wenn er Zweifel an deren Zuverlässigkeit hat oder ihm Gefahrenquellen bekannt geworden sind oder wenn er sie bei der erforderlichen Kontrolle hätte erkennen können. Je mehr Mietparteien das Haus hat, desto größer ist die Gefahr, dass sich für die Beseitigung der Gefahrenquellen die eine Partei auf die andere verlässt. Umso stärker trifft in diesen Fällen den Vermieter die Pflicht, die Sicherung zu organisieren, ggf. über einen Hausverwalter. Bezüglich der Räum- und Streupflicht muss ein fester Streuplan vorliegen.
Die Rechtsprechung urteilt zunehmend zurückhaltend bei der Frage, ob Verkehrssicherungspflichten delegiert werden dürfen, zumal vom Vermieter der Abschluss einer Haftpflichtversicherung erwartet werden kann. Die Sicherungspflicht des Vermieters bezieht sich vor allem auf die gemeinsam benutzten Anlagen und Einrichtungen.