1 Leitsatz
Für einen Wohnungseigentümer besteht aus dem in den §§ 712 Abs. 1, 737 BGB, §§ 117, 127, 140 HGB zutage tretenden Rechtsgedanken ein Stimmrechtsverbot, wenn der betreffende Beschluss seine Abberufung als Verwalter aus wichtigem Grund zum Gegenstand hat.
2 Normenkette
§§ 25 Abs. 4, 26 Abs. 1 WEG
3 Das Problem
Nach der Gemeinschaftsordnung entfallen bei einer Beschlussfassung auf jedes Wohnungseigentum jeweils 3 Stimmen. Ein Antrag zu TOP 3, den Verwalter V aus wichtigem Grund abzubestellen und den Verwaltervertrag zu kündigen (V hatte unberechtigt Verträge mit einem Gesamtvolumen von 68.425 EUR geschlossen), findet keine Mehrheit. Der Beschluss zu TOP 7, V zu entlasten, findet hingegen eine Mehrheit.
Bei der Abstimmung stimmt V in Vollmacht für den Mehrheitseigentümer ab (diesem stehen 60 der 65 Wohnungseigentumsrechte zu). Gegen diese Beschlüsse geht Wohnungseigentümer K vor. Er ist der Auffassung, die Mehrheitseigentümerin M habe in missbräuchlicher Art und Weise von ihrem Mehrheitsstimmrecht Gebrauch gemacht, weil V seine Pflichten verletzt habe. V und M sind Konzerntöchter von Z.
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! M sei von der Teilnahme an der Abstimmung zu TOP 3 ausgeschlossen gewesen, sodass ihre Stimmen bei der Abstimmung nicht hätten berücksichtigt werden dürfen. Nach der h. M. in Rechtsprechung und Literatur bestehe ein Stimmrechtsverbot für einen Eigentümer aus dem in den §§ 712 Abs. 1, 737 BGB, §§ 117, 127, 140 HGB zutage tretenden Rechtsgedanken, wenn der betreffende Beschluss seine Abberufung als Verwalter aus wichtigem Grund zum Gegenstand habe (Hinweis u. a. auf OLG München, Beschluss v. 15.9.2010, 32 Wx 16/10, ZMR 2011 S. 148 und Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 105). Dieser Stimmrechtsausschluss gelte auch im Fall, obwohl M mit V nicht personenidentisch sei. Denn M sei wie V ein von Z abhängiges Unternehmen i. S. v. § 17 Abs. 1 AktG. Aus diesem Grund seien M und V für die Beurteilung eines Stimmrechtsausschlusses als einheitliche Person zu betrachten. V habe ihre Pflichten durch eine Auftragsvergabe ohne ermächtigenden Beschluss auch grob verletzt.
Der zu TOP 7 gefasste Beschluss sei für ungültig zu erklären, weil er nicht mit der erforderlichen Stimmenmehrheit zustande gekommen sei. Nach § 25 Abs. 4 WEG sei ein Wohnungseigentümer nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm betreffe. Darunter falle auch seine Entlastung als Verwalter-Eigentümer, weil es sich bei der Entlastung des Verwalters um ein negatives Schuldanerkenntnis handele (Hinweis u. a. auf OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.7.2007, 14 Wx 41/06, ZMR 2008 S. 408 und Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, § 25 Rn. 106). Da Z sowohl auf M als auch auf V einen beherrschenden Einfluss ausübe, seien diese – wie ausgeführt – hinsichtlich des der M zustehenden Stimmrechts wie eine Person zu behandeln (Hinweis auf OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.7.2007, 14 Wx 41/06, ZMR 2008 S. 408).
5 Hinweis
Problemüberblick
Ein Wohnungseigentümer ist nach § 25 Abs. 4 WEG nicht stimmberechtigt, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums bezüglichen Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen ihn betrifft oder wenn er nach § 17 WEG rechtskräftig verurteilt ist. Im Fall war danach zu fragen, ob die Mehrheitseigentümerin vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, weil sie und die X-GmbH als Einheit zu sehen sind.
Abhängige Unternehmen
Nach § 17 Abs. 1 AktG handelt es sich bei einem abhängigen Unternehmen um ein rechtlich selbstständiges Unternehmen, auf das ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden Einfluss ausüben kann. Bei der Beurteilung eines Stimmrechtsausschlusses im Fall von Rechtsgeschäften mit einem Dritten ist in der wohnungseigentums- und gesellschaftsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur im Grundsatz anerkannt, dass sich im Einzelfall ein Stimmrechtsausschluss aus einer Verflechtung der grundsätzlich stimmberechtigten natürlichen oder juristischen Person mit einem an dem betreffenden Rechtsgeschäft beteiligten Dritten ergeben kann.
Stimmrechtsausschluss
Der Stimmrechtsausschluss nach § 25 Abs. 4 WEG greift in diesem Fall, weil die betreffende Beschlussfassung ein Rechtsgeschäft mit einer Gesellschaft zum Gegenstand hat, an der der Wohnungseigentümer mehrheitlich beteiligt ist und deren Geschäftsführer oder geschäftsführender Gesellschafter er ist (BGH, Urteil v. 13.1.2017, V ZR 138/16). Darüber hinaus greift ein Stimmrechtsausschluss bei Geschäften unter der Beteiligung von 2 von einer Konzernmutter beherrschten Unternehmen jedenfalls dann, wenn die abhängigen Unternehmen im Mehrheitsbesitz der Konzernmutter stehen und die Konzernmutter überdies maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung in den beherrschten Unternehmen ausübt (OLG Karlsruhe, Beschluss v. 31.7.2007, 14 Wx 41/06).
6 Entscheidung
AG Schwarzenbek, Urteil v. 2.11.2021, 2 C 54/19 WEG