1 Leitsatz
Ein Wohnungseigentümer kann allein gegen die Versicherung vorgehen, mit der die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einen Vertrag geschlossen hat, wenn ihn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer für die Geltendmachung ihrer Ansprüche bevollmächtigt hat.
2 Normenkette
§ 19 Abs. 2 Nr. 3 WEG
3 Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer X schließt mit der B-AG einen Gebäudeversicherungsvertrag. Nach einem Brand verlangt nicht die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern Wohnungseigentümer K von der B-AG für die Dauer von 36 Monaten den Ersatz der ihm entgangenen Miete und weiterer Schäden. Der Verwalter hatte der B-AG insoweit mitgeteilt, K sei ermächtigt, den Mietausfall sowie die Kosten für die Demontage, den Abtransport, die Lagerung, den Antransport, den Wiedereinbau und die Reinigung einer Einbauküche direkt bei ihr geltend zu machen. Die B-AG ist bereit, Miete in Höhe von 8.640 EUR (= 8 Monate) und 1.050 EUR für die Einbauküche zu zahlen. Weitere Schäden will sie nicht regulieren. Sie meint, K habe die Reparatur des Sondereigentums schuldhaft verzögert.
Vor diesem Hintergrund erhebt K gegen die B-AG Klage auf weitere Beträge. Die B-AG wendet jetzt ein, die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei die Versicherungsnehmerin. Die Ermächtigung des Verwalters gelte nicht für den Mietausfall. K habe die Schadenswiederherstellung jedenfalls vorsätzlich, zumindest aber grob fahrlässig, verzögert, indem er überzogene Anforderungen an die Schadensbeseitigung gestellt habe, um möglichst lange Mietausfallentschädigung zu erhalten, sodass sie, die B-AG, nach den Versicherungsbedingungen leistungsfrei sei.
4 Die Entscheidung
Die Klage hat Erfolg! K sei berechtigt, gegen die B-AG vorzugehen. Dies ergebe sich bereits aus dem Schreiben des Verwalters. Dieser habe ausdrücklich mitgeteilt, K sei ermächtigt, die hier geltend gemachten Forderungen direkt bei der B-AG geltend zu machen. Dass diese Ermächtigung sich nur auf die außergerichtliche Regulierung des Mietausfallschadens beziehen solle, sei dem Schreiben nicht zu entnehmen.
K habe die Wiederbenutzung seiner Wohnung auch nicht schuldhaft verzögert. Fraglich sei bereits, ob ein Verhalten des K maßgeblich sein könne. Nicht er, sondern die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer sei die Versicherungsnehmerin. Jedenfalls habe K selbst nichts falsch gemacht. Stelle man auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ab, ergebe sich kein anderes Bild.
5 Hinweis
Problemüberblick
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer wird in der Regel jedenfalls eine angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert sowie eine Versicherung der Wohnungseigentümer wegen der Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht abschließen. Die Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums zum Neuwert bezieht sich zwar auch auf das Sondereigentum. Will ein Wohnungseigentümer gegen die Versicherung wegen des Sondereigentums vorgehen, ist aber zu fragen, ob er das überhaupt kann.
Abwicklung eines Schadensfalls: Sondereigentum
Schäden am Sondereigentum muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer dem Versicherer nur anzeigen. Zur eigentlichen Schadenabwicklung ist die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer aber nicht berufen – sofern sie mit dem oder den betroffenen Wohnungseigentümern individuell nichts anderes vereinbart hat.
Ein betroffener Wohnungseigentümer muss sich also grundsätzlich selbst um (mit-)versicherte Schäden im Sondereigentum kümmern. Er bedarf zur Durchsetzung seiner Ansprüche zunächst der Vertragsdaten des Versicherungsvertrags. Diese Daten hat ihm der Verwalter namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer mitzuteilen. Ferner bedarf der Wohnungseigentümer einer Zustimmung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, gegen den Versicherer vorzugehen. Diese Zustimmung muss der Verwalter nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG erteilen. Kann der Verwalter nicht handeln, müssen die anderen Wohnungseigentümer für die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Zustimmung erteilen.
6 Entscheidung
LG Potsdam, Urteil v. 2.2.2022, 2 O 291/19