1 Leitsatz
Pflichtverletzungen des Verwalters stehen seiner Wiederbestellung nicht entgegen, wenn die Pflichtverletzungen insgesamt nicht dergestalt gravierend sind, dass hieraus der Schluss gezogen werden kann, dass der Verwalter nicht willens und in der Lage ist, seine Aufgaben in Zukunft ordnungsmäßig wahrzunehmen.
2 Normenkette
§ 26 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer bestellen die X-GmbH erneut zur Verwalterin. Gegen diesen Beschluss erhebt Wohnungseigentümerin K einer Anfechtungsklage. K rügt, es habe im Jahr 2020 und später keine Versammlungen gegeben. Ferner seien erst in der Versammlung vom 8.11.2022 die Jahresabrechnungen 2019, 2020 und 2021 beschlossen worden. Die Jahresabrechnung 2018 sei erst jetzt korrigiert worden. Hinzu komme, dass sich die X-GmbH weigere, Einsicht in die Abrechnungsunterlagen zu gewähren. Vor allen Dingen habe es die X-GmbH unterlassen, 2 Wasserschäden in der Wohnung der K zu untersuchen.
Die Entscheidungen
Die Anfechtungsklage hat keinen Erfolg! Zwar seien der X-GmbH bei der Durchführung von Versammlungen bzw. bei der Erstellung der Jahresabrechnungen Versäumnisse anzulasten. Diese erreichten jedoch weder für sich genommen noch in der Gesamtheit eine Schwere, die einer Wiederbestellung entgegenstünden. Eine Pflichtverletzung liege auch nicht darin, dass die X-GmbH keine Vergleichsangebote vorgelegt habe. Die Einholung von Alternativangeboten anderer Verwalter und deren Übersendung an die Wohnungseigentümer sei nur bei einer Neubestellung, nicht aber bei der Wiederbestellung des amtierenden Verwalters erforderlich. Etwas Anderes gelte nur, wenn sich seit der Erstbestellung des wieder zu bestellenden Verwalters der Sachverhalt verändert habe. So liege es nicht. Auch habe die X-GmbH der K nicht die Einsicht in die Belege verweigert. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer habe unwidersprochen vorgetragen, dass K mehrfach die Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen vorgeschlagen worden sei. Soweit K rüge, ein Wasserschaden aus dem Jahr 2020 sei bislang nicht beseitigt worden, bestehe zwischen den Parteien Streit, ob und in welchem Umfang Arbeiten durchzuführen seien.
4 Hinweis
Problemüberblick
Im Fall will eine Wohnungseigentümerin es erzwingen, dass ein Verwalter nicht wiederbestellt wird. Eine solche Klage hat nur selten Erfolg. Denn dann muss sich das Ermessen der Wohnungseigentümer auf eine "Nichtbestellung" verengt haben.
Die Grundlagen
Der Beschluss der Wohnungseigentümer über die Bestellung des Verwalters ist am Maßstab einer ordnungsmäßigen Verwaltung zu messen. Die Wohnungseigentümer haben nicht nur einen Anspruch darauf, dass die Tätigkeit der Verwaltung diesen Grundsätzen entspricht, sondern auch darauf, dass der Verwalter selbst diesen Anforderungen genügt. Daran fehlt es, wenn ein wichtiger Grund gegen die Bestellung spricht. Wann ein solcher wichtiger Grund vorliegt, bestimmt sich in Anlehnung an § 26 Abs. 1 nach den für die Abberufung des Verwalters geltenden Grundsätzen. Das Vorliegen eines wichtigen Grunds verpflichtet die Wohnungseigentümer allerdings nicht ohne Weiteres dazu, den Verwalter abzuberufen. Sie haben vielmehr Ermessen und dürfen von einer Abberufung absehen, wenn dies aus objektiver Sicht vertretbar erscheint. Die Bestellung eines Verwalters widerspricht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung deshalb erst dann, wenn die Wohnungseigentümer ihr Ermessen überschreiten, d. h., wenn es objektiv nicht mehr vertretbar erscheint, dass sie den Verwalter ungeachtet der gegen ihn sprechenden Umstände bestellen. Bei der Entscheidung über diese Frage muss das Gericht einerseits die Entscheidung der Mehrheit in vertretbarem Rahmen respektieren, andererseits aber auch der Minderheit Schutz bieten. Es verbietet sich eine rein formale Sichtweise, vielmehr kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an, insbesondere, ob der Verwalter im Hinblick auf die Pflichtverletzungen einsichtsfähig und lernfähig ist, d. h. in der Lage ist, die von ihm in der Vergangenheit zu verantwortenden Mängel seiner Arbeit abzustellen.
Die Lösung im Fall
Nach dem genannten Maßstab ist es im Fall wohl noch vertretbar, an der X-GmbH festzuhalten. Ich als Wohnungseigentümer hätte aber ein ungutes Gefühl, beispielsweise, weil der Gegenstand "Abberufung" seinen Weg nicht auf die Tagesordnung gefunden hat.
Was ist für die Verwaltungen besonders wichtig?
Macht eine Verwaltung einen Fehler, sollte sie offen damit umgehen und die Wohnungseigentümer informieren. Meines Erachtens schafft dieser Umgang mit eigenen Mängeln Vertrauen. Umgekehrt traut man jemanden ungern, der erst dann alles einräumt, wenn es nicht mehr anders geht.
5 Entscheidung
AG Bonn, Urteil v. 1.9.2023, 210 C 52/22