1 Leitsatz

§ 45 Abs. 1 WEG a. F. ist einschränkend dahingehend auszulegen, dass bei einer Klage der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen Wohnungseigentümer der Verwalter nicht Zustellungsvertreter der Beklagten ist.

2 Normenkette

§ 45 Abs. 1 WEG a. F.

3 Das Problem

Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K nimmt Wohnungseigentümerin B auf Zahlung rückständiger Hausgelder in Anspruch. B wohnt auf Malta. In der Klage ist die Verwalterin V als Zustellungsvertreterin gem. § 45 Abs. 1 WEG a. F. benannt. Das AG stellt die Klage V zu. Nach fruchtlosem Ablauf der Notfrist zur Verteidigungsanzeige erlässt es ein Versäumnisurteil und gibt der Klage statt. Auch dieses Urteil stellt das AG der V zu. Rund 3 Monate später legt B Einspruch ein und beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Ihr seien weder die Klage noch das Urteil zugestellt worden. Sie habe von dem Verfahren erst durch die eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen erfahren. Das AG verwirft den Einspruch durch Urteil als unzulässig.

4 Die Entscheidung

Der BGH hält dies nicht für richtig! § 45 Abs. 1 WEG a. F. sei nach seinem Sinn und Zweck und seiner Entstehungsgeschichte nicht anwendbar, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gegen einen Wohnungseigentümer klage. Der in der Zustellung an V liegende Zustellungsmangel sei auch nicht geheilt worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts fehle es an dem hierfür erforderlichen tatsächlichen Zugang der Klageschrift bei B. Mangels wirksamer Zustellung der Klageschrift sei die Klage daher nicht rechtshängig geworden und zwischen K und B kein Prozessrechtsverhältnis begründet worden.

Hinweis

  1. Im Mittelpunkt des Falls steht altes Recht. Bis zum 30.11.2020 war es in bestimmten Konstellationen nach § 45 WEG a. F. möglich, eine Klage, die sich gegen die Wohnungseigentümer richtete, dem Verwalter zuzustellen. Die Entscheidung klärt insoweit, dass diese Zustellungsvertretung ausscheiden muss, wenn die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer von einem Wohnungseigentümer Hausgeld verlangt. Hierüber konnte man auch nicht ernsthaft zweifeln: wie soll es möglich sein, dem Kläger die Klage gegen den Beklagten zuzustellen?
  2. Das aktuelle Recht kennt für den Verwalter keine Zustellungsvertretung für die Wohnungseigentümer. Weder gibt es in § 45 WEG a. F. eine entsprechende Vorschrift noch eine, die § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG a. F. entspräche. Das ist sehr bedauerlich. Denn es gibt weiterhin, z. B. im Rahmen der Zwangsvollstreckung oder wenn der Staat gegen die Wohnungseigentümer vorgeht, einen Bedarf dafür, dem Verwalter etwas zuzustellen. Ich selbst meine daher, solche Zustellungen würden § 9a Abs. 2 WEG unterfallen und der Verwalter wäre daher namens der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet, solche Zustellungen entgegenzunehmen. Ob die Rechtsprechung dieser Ansicht folgt, bleibt abzuwarten. Der Verwalter sollte insoweit jedenfalls seine Hände nicht in den Schoß legen. Erreicht ihn von einer Behörde oder einem Gericht ein Schreiben, welches nicht an die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, sondern an die Wohnungseigentümer gerichtet ist, sollte er diese, wie auch bislang, zeitnah vom Inhalt dieses Schreibens informieren und, soweit das geboten ist, für die Willensbildung der Wohnungseigentümer sorgen.

4.1 Entscheidung

BGH, Urteil v. 27.11.2020, V ZR 67/20

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