1 Leitsatz
Den Verwaltungsbeiräten ist nicht deshalb die Entlastung zu versagen, weil die Jahresabrechnung Fehler aufweist.
2 Normenkette
§ 28 Abs. 2 Satz 2 WEG
3 Das Problem
Die Wohnungseigentümer beschließen, die Verwaltungsbeiräte für die Tätigkeit im Jahr 2018 zu entlasten. Gegen diesen Beschluss geht Wohnungseigentümer K vor. Das AG erklärt den Beschluss für ungültig. Die Jahresabrechnung, welche die Verwaltungsbeiräte gebilligt hatten, sei intransparent und nicht nachvollziehbar. Gegen das Urteil des AG richtet sich die Berufung der Wohnungseigentümer (es gilt noch altes Verfahrensrecht).
4 Die Entscheidung
Mit Erfolg! Nach dem Beschlusswortlaut sei den Beiratsmitgliedern Entlastung für ihre Tätigkeit im Jahr 2018 erteilt worden. Hier stelle sich zunächst die Frage, für welche Tätigkeit eine Entlastung erteilt worden sei. Die Auslegung ergebe, dass den Verwaltungsbeiräten Entlastung insbesondere für ihre Tätigkeit bei der Kassenprüfung in Zusammenhang mit der vom Verwalter unter dem Druckdatum 22.5.2019 erstellten Jahresabrechnung für das Geschäftsjahr 2018 erteilt worden sei, unabhängig davon, ob die Kassenprüfungstätigkeit hierzu im Jahr 2018 und/oder im Jahr 2019 erbracht worden sei.
Weiter stelle sich die Frage, was K den Verwaltungsbeiräten eigentlich vorwerfe. Dies sei aber nicht zu erkennen. Die mehrseitige Klagebegründung des K äußere sich zwar über Mängel der Jahresabrechnung. Es fehle aber an der Darstellung einer konkreten Pflichtverletzung der Verwaltungsbeiräte, zumal sich deren Prüftätigkeit auf die Kassenprüfung beschränkt habe. Da die Aufgaben eines Verwalters und der Verwaltungsbeiräte in Bezug auf eine Jahresabrechnung nicht deckungsgleich, sondern unterschiedlich seien, folge aus der im Fall erstinstanzlich für ungültig erklärten Jahresabrechnung nicht automatisch die zu versagende Entlastung für die Verwaltungsbeiräte.
Zwar sei nach BGH (Urteil v. 4.12.2009, V ZR 44/09, Rn. 19) eine Entlastung der Verwaltungsbeiräte nicht ordnungsmäßig, wenn die von diesen geprüfte Jahresabrechnung fehlerhaft sei und geändert werden müsse. Das Urteil befasse sich aber weder mit einer Darstellung der unterschiedlichen Stellung von Verwalter und Verwaltungsbeiräten und den ihnen obliegenden unterschiedlichen Pflichten, noch werde in ihm eine konkrete Pflichtverletzung der Beiratsmitglieder festgestellt. So sei es auch in früheren oder späteren BGH-Entscheidungen gewesen.
5 Hinweis
Problemüberblick
Die Wohnungseigentümer können die Verwaltungsbeiräte für ein Geschäftsjahr entlasten. Diese "Entlastung" ist erstens die Billigung einer Amtsführung für einen bestimmten Zeitraum als dem Gesetz, der Gemeinschaftsordnung und den ggf. vertraglichen Pflichten entsprechend und als zweckmäßig. Zweitens wird dem Amtsträger für die künftige Tätigkeit das Vertrauen ausgesprochen. Mit der Entlastung ist drittens die Folge eines negativen Schuldanerkenntnisses (§ 397 Abs. 2 BGB) verbunden. Da die Entlastung typischerweise in der Annahme gefasst wird, dass Ansprüche gegen den Amtsträger nicht bestehen, zielt sie nicht auf die Wirkungen eines negativen Schuldanerkenntnisses; diese sind vielmehr lediglich Folge der geschilderten Vertrauenskundgabe.
Ein Entlastungsbeschluss entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn keine Schadenersatzansprüche absehbar sind. Er widerspricht ihr hingegen, wenn Ansprüche in Betracht kommen und kein Grund ersichtlich ist, auf diese zu verzichten.
Entlastung des Verwalters
Beim Verwalter widerspricht eine Entlastung insbesondere dann einer ordnungsmäßigen Verwaltung, wenn der Verwalter eine fehlerhafte Jahresabrechnung oder einen mangelhaften Wirtschaftsplan vorgelegt hat und dadurch die Beschlüsse nach § 28 Abs. 1 Satz 1, 28 Abs. 2 Satz 1 WEG mangelhaft sind, oder wenn ein tatsächliches Verhalten gebilligt wird, das einen schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzesverstoß oder einen Verstoß gegen die Bestimmungen der Wohnungseigentümer darstellt.
Entlastung der Verwaltungsbeiräte
Die Entlastung der Verwaltungsbeiräte soll hingegen nach bislang h. M. einer ordnungsmäßigen Verwaltung bereits dann widersprechen, wenn die von den Verwaltungsbeiräten geprüfte, jedoch nicht beanstandete Jahresabrechnung fehlerhaft ist und geändert werden muss. In der Entscheidung wird gefragt, ob dies richtig ist – und verneint. Ich meine, die bislang h. M. sei richtig. Warum? Es geht nicht nur um Schadensersatz. Es geht auch um eine Billigung und Vertrauen. Beides ist ausgeschlossen, wenn den Verwaltungsbeiräten entgangen ist, dass die Jahresabrechnung fehlerhaft ist.
6 Entscheidung
LG Koblenz, Urteil v. 24.1.2022, 2 S 72/20 WEG