Voraussetzung der Verwirkung
Der Zahlungsanspruch des Vermieters unterliegt nicht nur der Verjährung, er kann auch verwirken. Von den Instanzgerichten wird allerdings oft übersehen, dass die Verwirkung neben dem Zeitmoment auch ein Umstandsmoment erfordert. So hat das LG Berlin entschieden, dass ein Vermieter seinen Anspruch auf Mietzahlung dann verwirkt, wenn er die vom Mieter mit Mängeln begründete Einbehaltung eines Teils der Miete über einen längeren Zeitraum (hier: 3 Jahre) hinnimmt. Das LG München I ist der Ansicht, dass der Vermieter seinen Anspruch auf Nachzahlung von aufgrund Minderung rückständiger Mieten verwirkt, wenn er nach Aufforderung zur Zahlung der vollständigen Miete den Anspruch erst nach 8 Monaten gerichtlich geltend macht.
Diese Rechtsprechung berücksichtigt nicht die neuere Rechtsprechung des BGH zur Verwirkung der Gewährleistungsrechte des Mieters. Eine Verwirkung der Minderungsrechte des Mieters bei Zahlung trotz Kenntnis des Mangels tritt erst ein, wenn der Mieter über mehrere Jahre hinweg uneingeschränkt die Miete bezahlt hat.
Dies gilt auch für den Zahlungsanspruch des Vermieters. Zum Zeitmoment müssen auf dem Verhalten des Vermieters beruhende Umstände kommen, die das Vertrauen des Mieters rechtfertigen, der Vermieter werde seinen Mietzahlungsanspruch nicht mehr geltend machen. An einem solchen Vertrauenstatbestand fehlt es nach Auffassung des BGH dann, wenn ein Mieter ab Dezember 1998 die Miete unter Hinweis auf angebliche Mängel um 30 % mindert und der Vermieter dieser Minderung mit Schreiben vom 22.12.1998 sowie mit einem weiteren Schreiben vom 2.2.2000 widersprochen hat und dann am 14.11.2000 die Mietrückstände mit Mahnbescheid gerichtlich geltend macht. Hier ist nach Ansicht des BGH der Verwirkungstatbestand noch nicht eingetreten. Eine vorbehaltlose Hinnahme der geleisteten Mietzahlungen des Mieters durch den Vermieter liegt nicht vor, sodass ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Mieters nicht gegeben ist.
Keine Analogie zu Mietminderung
Der BGH hat ausdrücklich festgestellt, dass § 539 BGB a. F. nicht analog auf einen Mietrückstand angewandt werden kann, der aus einer vom Vermieter über längere Zeit widerspruchslos hingenommenen Mietminderung herrührt. Ob der Vermieter mit solchen Nachforderungen ausgeschlossen ist, beurteilt sich nach den allgemeinen Voraussetzungen der Verwirkung. Der BGH weist darauf hin, dass neben dem Zeitmoment auch die weiteren Voraussetzungen der Verwirkung vorliegen müssen (Umstandsmoment).
Wechselwirkung zwischen Zeit- und Umstandsmoment
Zwischen dem Umstandsmoment und dem erforderlichen Zeitablauf besteht eine Wechselwirkung insofern, als der Zeitablauf umso kürzer sein kann, je gravierender die sonstigen Umstände sind und dass umgekehrt an diese Umstände desto geringere Anforderungen gestellt werden, je länger der abgelaufene Zeitraum ist. Ein Zeitraum von fast 3 Jahren ohne Reaktion des Vermieters erfüllt grundsätzlich das Zeitmoment. Das Umstandsmoment kann erfüllt sein, wenn der Mieter in dieser Zeit Mängel rügt, Fristen zur Beseitigung setzt und nach Fristablauf die Mängel selbst beseitigt und von der Miete abzieht, ohne dass der Vermieter reagiert. Hingegen ist ein Zahlungsanspruch wegen des fehlenden Umstandsmoments nicht verwirkt, wenn der Mietrückstand nach Schlüsselübergabe mehr als 2 Jahre nicht geltend gemacht wird.
In einem anderen, vom LG Berlin entschiedenen Fall hatte der Mieter wegen Lärm- und Schmutzbelästigung aufgrund von Bauarbeiten ab März 1994 um 30 % gemindert. Die Arbeiten waren im Dezember 1994 abgeschlossen. Der Mieter minderte gleichwohl weiter. Erst mit Schreiben vom 10.8.1998 machte der Vermieter die Mietrückstände geltend und sprach zugleich die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs aus. Auch hier ist Verwirkung nicht eingetreten: Liegen unstreitig keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Mängeln und damit für eine Berechtigung zur Minderung vor, wird durch das Unterlassen der Anmahnung der vertraglich geschuldeten Miete in voller Höhe das Umstandsmoment für eine Verwirkung des restlichen Mietanspruchs des Vermieters nicht erfüllt.
Grundsätzlich gilt Regelverjährungsfrist von 3 Jahren bei Zahlungsansprüchen
Vor Ablauf der Regelverjährungsfrist kann nach der Schuldrechtsreform ein Zahlungsanspruch nicht verwirken. Weder Umstands- noch Zeitmoment liegen vor. Eine Ausnahme gibt es z. B. bei Unterhaltsansprüchen.