Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz gegen die für sofort vollziehbar erklärte Untersagung der Nutzung eines ehemaligen Orthopädiegeschäftes als Wettbüro in einem förmlichen Sanierungsgebiet. Notwendigkeit der Einholung einer Baugenehmigung bei einer Nutzungsänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Nutzungsänderung von einem Ladengeschäft zu einem Wettbüro für Sportwetten bedarf der Erteilung einer Baugenehmigung (wie VG Minden vom 10.02.2006 – 1269/06 – und VGH Baden-Württemberg vom 01.02.2007 – 8 S 2606/06 –).

 

Normenkette

VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 S. 1, Abs. 5; BauGB § 1 Abs. 5; LBO § 37 Abs. 2; BauGB §§ 144-145; LBO § 60 Abs. 1, § 82 Abs. 2

 

Tenor

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Der Streitwert wird auf 1.500,– Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Antragsteller wendet sich gegen eine baurechtliche Verfügung vom 09.06.2008, mit der ihm unter Anordnung des Sofortvollzugs die Nutzung des ehemaligen Orthopädiegeschäftes in der K…Straße … in … als Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten (Wettbüro) mit Wirkung vom 29.06.2008, 24.00 Uhr, untersagt und mit der für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 Euro angedroht wurde.

I.

Das Grundstück K…Straße … in … befindet sich innerhalb des mit Satzung vom 05.04.1972, geändert mit Satzung vom 11.04.1973, förmlich festgelegten Sanierungsgebietes „…-Zentrum”.

Mit Bauschein vom 18.10.1976 wurde für das Erdgeschoss des Gebäudes der Um- und Erweiterungsbau des orthopädischen Schuhgeschäftes in dem viergeschossigen, beidseitig angebauten Haus genehmigt.

In der Stadtratssitzung am 18.12.2007 beschloss der Stadtrat der Antragsgegnerin die Änderung und Ergänzung der Bebauungspläne I/12-III, VI, VIII, IX, und I/13 I, II, IV und V im Sanierungsgebiet „…-Zentrum” zum Bebauungsplan I/14 „…-Innenstadt”. Dabei ging es um die Sanierungsziele, die wie folgt festgelegt wurden:

  • Stabilisierung der Innenstadt als Einzelhandelsstandort und Standort für Bildung, Dienstleistung, Gesundheit und Kultur gemäß der zentralörtlichen Gliederung und der Versorgungsfunktion als Mittelstadt.
  • Quantitative und qualitative Anpassung des Flächenangebots an die aktuellen Erfordernisse des Einzelhandels.
  • Schaffung attraktiver nutzungsoptimierter Freiflächen in der Innenstadt, z.B. Flächen für Kultur, Aufenthalt und Kommunikation, Grünflächen zur Aufwertung des Wohnumfeldes.
  • Förderung und Schaffung von qualitativ den Wohnbedürfnissen angemessenen Wohnraum für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, wie ….
  • Anpassung der Verkehrsführung und Parkraumsituation an die o.g. Ziele und städtebaulich attraktiven Gestaltung des Verkehrsraumes.
  • Ausschluss von Spielhallen und Wettbüros, um weitere trading-down-Prozesse aufgrund der Ballung derartiger Einrichtungen im Innenstadtbereich zu verhindern.

Der Antragsteller meldete mit der Gewerbe-Anmeldung vom 23.04.2008 beim Gewerbeamt der Antragsgegnerin das Gewerbe „Sportwetten, alkoholfreie Getränke” zum 25.04.2008 an. Zum 01.05.2005 schloss er mit der Firma … Limited, London, …, UK, einem konzessionierten Sportwettenunternehmen mit Sitz im United Kingdom einen Vertrag zur Vermittlung von Sportwetten. Mit Vertrag vom 03.05.2008 mietete er das 150 qm große Ladenlokal in der K…-Straße … befristet bis zum 31.10.2008.

Die Antragsgegnerin teilte dem Antragsteller unter dem 13.05.2008 mit, dass die Nutzungsänderung vom Orthopädiegeschäft zum Wettbüro gemäß § 60 LBO der Baugenehmigung bedürfe und forderte ihn zur Einreichung eines Bauantrages nebst Bauvorlagen auf.

Mit dem in Streit stehenden Bescheid vom 09.06.2008 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab Sonntag, den 29.06.2008, 24.00 Uhr, die Nutzung der Räumlichkeiten des früheren Orthopädiegeschäftes im Erdgeschoss des Hauses als Betriebsstätte für die Vermittlung von Sportwetten und ordnete gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 4 VwGO die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung stützte sich die Antragsgegnerin auf § 82 Abs. 2 LBO, demzufolge die Benutzung baulicher Anlagen untersagt werden kann, wenn diese im Widerspruch zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfolgt. Die vom Antragsteller vorgenommene Nutzungsänderung erfolge im Widerspruch zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, weil dafür eine sanierungsrechtliche Genehmigung nach § 144 BauGB erforderlich sei, die gemäß § 145 Abs. BauGB zu versagen sei. Denn die Nutzungsänderung laufe den Sanierungszielen zuwider. Die Anordnung des Sofortvollzuges sei im öffentlichen Interesse dringend geboten. Da die Nutzungsänderung formell illegal sei, bestehe schon an der Wahrung der Effektivität des bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahrens ein besonderes öffentliches Interesse. Die Nutzung widerspreche zudem auch dem Glücksspielrecht.

Gegen den ihm am 10.06.2008 zugestellten Bescheid hat der Antragsteller am 02.07.2008 bei der Antragsgegnerin Widerspruch erhoben und zur Begründung auf den Antrag beim Verwaltungsgericht verwiesen.

Mit dem bei Gericht am 02.07.2008 gestellten Antrag auf Wiederherst...

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