Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Frage einer Ermessensentscheidung aufgrund von § 73 Abs. 2 a Satz 3 AsylVfG

 

Leitsatz (amtlich)

Ermessen ist nach § 73 Abs. 2 a Satz 3 AsylVfG nur dann eröffnet, wenn in den der Vorschrift zu entnehmenden gestuften Verfahren bereits einmal eine Prüfung stattgefunden hat, die nicht zum Widerruf bzw. der Rücknahme der zu prüfenden Entscheidung geführt hat.

 

Normenkette

AsylVfG § 73 Abs. 2a S. 3; AuslG § 51 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Der Kläger ist albanischer Volkszugehöriger aus dem Kosovo und wurde mit Bescheid der Beklagten vom 05.08.1999 aufgrund gerichtlicher Verpflichtung durch das Verwaltungsgericht des Saarlandes vom 18.05.1999, 10 K 97/97.A, als Asylberechtigter anerkannt. Ferner wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

Nach Einleitung des Widerrufsverfahrens durch die Beklagte berief sich der Kläger darauf, dass er seit 1992 im Bundesgebiet aufenthaltsam sei, über eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis verfüge und sein am … 2005 geborenes Kind B. die deutsche Staatsangehörigkeit besitze.

Mit Bescheid vom 23.03.2006, widerrief die Beklagte die Anerkennung als Asylberechtigter vom 05.08.1999, 1638729-138, und die in demselben Bescheid getroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen. Weiter stellte er fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

Zur Begründung legte die Beklagte im Wesentlichen dar, dass nach Änderung der politischen Verhältnisse im Kosovo die Voraussetzungen der Asylanerkennung und der Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 51 Abs. 1 AuslG nicht mehr vorlägen. Ebenso wenig lägen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor, da albanische Volkszugehörige im Kosovo politische Verfolgung nach Änderung der dortigen Verhältnisse nicht zu befürchten hätten. Übergriffe nichtstaatlicher Akteure im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 c AufenthG (zum Beispiel durch albanische Extremisten) auf Kosovoalbaner, die als Verräter der albanischen Sache angesehen wurden (zum Beispiel bei Kollaboration mit den Serben, Gegnerschaft zur UCK), kämen nur in Einzelfällen vor. UNMIK und KFOR seien außerdem willens und in der Lage, Verfolgungsmaßnahmen von Dritten wirksam zu unterbinden. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen im Falle des Klägers nicht vor, da eine unmenschliche Behandlung bei Rückkehr nicht zu befürchten sei und die Gefahr gezielter staatlichen Vorgehens der serbischen Sicherheitskräfte nach dem Einrücken der multinationalen UN-Friedenstruppen nicht mehr bestehen. Weder von der KFOR noch von der UNMIK, die faktisch die staatliche Ordnungsmacht im Kosovo darstellen, sei eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Die vor Ort tätigen Kräfte arbeiteten am Wiederaufbau des Kosovo in allen Bereichen unter Beachtung der Rechte und Sicherheiten der einzelnen Bevölkerungsgruppen. Eine auf die Person des Klägers zu beziehende individuelle und konkrete Gefahrenlage nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lasse sich weder allgemein noch speziell für den Kläger feststellen.

Gegen den an ihn am 24.03.2006 als Übergabeeinschreiben zur Post gegebenen Bescheid erhob der Kläger am 31.03.2006 Klage. Zur Begründung beruft er sich darauf, der Bescheid der Beklagten vom 23.03.2006 sei rechtsfehlerhaft ergangen. Das Vorbringen des Klägers zum Verwaltungsverfahren, dass er seit mittlerweile 14 Jahren im Bundesgebiet aufhältig, seit 23.09.1999 im Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis sei und sein am … 2005 geborenes Kind B. die deutsche Staatsangehörigkeit besitze, sei von der Beklagten bei ihrer Entscheidung gänzlich unberücksichtigt geblieben. Diese habe offensichtlich verkannt, dass sie gemäß § 73 Abs. 2 a AsylVfG Ermessen auszuüben habe.

Eine solche Ermessensausübung sei offensichtlich unterblieben, so dass die Bescheide rechtswidrig ergangen und daher aufzuheben seien. Aus dem Urteil des VG Frankfurt/Main vom 31.10.2005, 9 C 2509/05.A (V), folge, dass das Gericht bei seiner Entscheidung nach § 77 Abs. 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen habe. Mangels entsprechender Übergangsvorschriften hätte die Beklagte im laufenden Widerrufsverfahren § 73 Abs. 2 a Satz 3 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) am 01.01.2005 geltende Fassung anwenden müssen. Daher habe sich die Beklagte im Falle des Klägers aufgrund des langjährigen Fortbestands...

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