Entscheidungsstichwort (Thema)
Kommunalrecht. Rechte der fraktionslosen Mitglieder des Gemeinderates
Leitsatz (amtlich)
Fraktionslosen Mitgliedern des Gemeinderats steht kein Rechtsanspruch auf Teilnahme an Sitzungen von Ausschüssen mit Rede-, Frage- und Antragsrecht zu. Fraktionslosen Mitgliedern steht allein ein reines Teilnahmerecht zu.
Normenkette
KSVG § 5 Abs. 1, § 37 Abs. 1 S. 2, § 41 Abs. 1 S. 3, § 47 Abs. 5 Sätze 1-2, §§ 48, 108 Abs. 1 Nr. 1, § 109 Abs. 1, §§ 110, 114-115
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Kläger durch die Nichtanfertigung von Niederschriften der Verhandlungen des Stadtrates aus den Jahren 2007 und 2008 in seinem Anspruch auf Protokollierung verletzt worden ist.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 8/9 und der Beklagte zu 1/9.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
Bei den Kommunalwahlen 2004 erzielte die … mit dem Kläger als Spitzenkandidat 3 Sitze im Stadtrat der Kreisstadt … (außer auf den Kläger entfielen auf ihrer Liste ein Mandat auf Herrn … und Herrn …). Auf die CDU entfielen 20 Sitze, auf die SPD 18 Sitze und auf Bündnis 90/Die Grünen 4 Sitze. Nach Auseinandersetzungen in Partei und Fraktion wurde Herr … Anfang 2005 aus der …-Fraktion ausgeschlossen. Herr … legte am 26.02.2005 sein Mandat nieder. Die Nachrückerin … schloss sich mit Herrn … zur …-Fraktion zusammen. Der Kläger ist seitdem für die … als fraktionsloses Mitglied im Stadtrat vertreten gewesen.
Bei den Kommunalwahlen 2009 wurde der Kläger erneut in den Stadtrat gewählt; die … erzielte 3 Sitze im Stadtrat der Kreisstadt ….
Am 24.09.2008 hat der Kläger wegen “Verletzung der Mitwirkungsrechte 1. Verweigerung des Rederechts in den Ausschüssen des Stadtrates durch den Oberbürgermeister, 2. Verletzung der Geschäftsordnung des Stadtrates von …” die vorliegende Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, dass ihm als Stadtratsmitglied ein Frage- und Rederecht in den Ausschusssitzungen zustehe. Die Verweigerung dieser Rechte durch den Beklagten verstoße gegen seine in § 37 und § 48 KSVG verbrieften Mitwirkungsrechte. Die Entscheidung des OVG des Saarlandes vom 02.09.1992 – 1 W 35/92 –, die davon ausgehe, dass fraktionslose Gemeinderatsmitglieder in den Ausschüssen des Gemeinderates kein Rede- und Antragsrecht hätten, sei überholt. Der Gesetzgeber habe durch die Einführung von vermehrter Basisdemokratie (Direktwahlen, Informationsfreiheitsgesetz) die Rahmen- und Auslegungsbedingungen des KSVG seit dem Zeitpunkt dieser Entscheidung grundlegend geändert. Zudem sei dieser OVG-Beschluss rechtlich äußerst umstritten, wozu der Kläger näher ausführt. Das KSVG sehe Stadtverordnete verschiedener Klassen nicht vor. Da es sich bei dem Neubau eines Badesees und Abriss eines Schwimmbades einer Kreisstadt um eine Entscheidung von kommunalpolitisch bedeutsamen Gewicht handele, müsse diese Sache dem Stadtrat zur Beratung der Entscheidung vorgelegt werden. Die Frage der Schließung eines Bades dürfe weder von einem untergeordneten Ausschuss durch die Hintertür noch von einer privaten Gesellschaft, der zudem das Bad nicht gehöre, getroffen werden. Im Übrigen handele der Beklagte anders als er vortrage. So sei zum Beispiel der Umbau des Bades abschließend im Stadtrat beschlossen worden. Sogar die Schließung des Bades sei, wenn auch illegal, nicht nur vom Stadtrat beschlossen, sondern auch als Beitrag zur Sanierung des Haushaltes herangezogen worden. Im Hinblick auf die Ausschusssitzung am 25.09.2008 sei auch die von der Geschäftsordnung vorgesehene Ladungsfrist nicht eingehalten worden; die Ladungsfrist müsse 14 Tage betragen, da es sich beim Thema Bad um eine bedeutsame Vorlage handele. Er habe als Stadtratsmitglied Anspruch auf Einhaltung der Geschäftsordnung. Es sei mittlerweile auch unerträglich, dass Entscheidungen und Beratungen der Stadt nicht mehr im Stadtrat getroffen, sondern in “dunklen Hinterzimmern” durch einige wenige Personen ausgeklüngelt würden, um dann das Klüngelergebnis im Hauruckverfahren durchzupressen. Zudem verstoße die Gründung der Wirtschaftsbetriebe … GmbH gegen § 108 KSVG. Der öffentliche Zweck der Wirtschaftsbetriebe sei weder erkennbar noch gerechtfertigt. Die Schwimmbäder könnten genauso effektiv in Form eines Eigenbetriebes betrieben werden. Mit einem legitimen demokratischen, auf dem Grundgesetz basierenden Verwaltungsverfahren habe das ganze Vorgehen nichts mehr zu tun. Im Übrigen habe er nach § 41 Abs. 1 Satz 3 KSVG Einfluss auf die abzuhandelnde Tagesordnung des Stadtrates und könne daher Fragen zu den im Ausschuss abschließend behandelten Themen stellen. Der einzelne Stadtverordnete habe lediglich keinen Anspruch darauf, auf der nächsten Sitzun...