Entscheidungsstichwort (Thema)

Recht auf Eintragung einer Auskunftssperre im Hamburgischen Melderegister zwecks Vermeidung von Werbepost folgt unmittelbar aus der europäischen Datenschutzrichtlinie

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Anspruch auf Eintragung einer Auskunftssperre in Bezug auf personenbezogene Daten für Zwecke der Direktwerbung in das Melderegister kann unmittelbar auf Art. 14 b) der Datenschutzrichtlinie gestützt werden.

 

Nachgehend

BVerwG (Urteil vom 21.06.2006; Aktenzeichen 6 C 5.05)

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 14.5.1999 und des Widerspruchsbescheides vom 7.9.1999 verpflichtet, im Melderegister eine die Daten des Klägers betreffende Auskunftssperre einzutragen, soweit diese Daten erkennbar für Zwecke der Direktwerbung verarbeitet werden sollen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Eintragung einer Auskunftssperre in das Melderegister der Beklagten.

Der Kläger beantragte anläßlich der Anmeldung seiner Wohnung im März 1999 eine Auskunftssperre. Unter dem 18. April 1999 wiederholte er diesen Antrag und trug vor, daß Dritte durch seine beruflich bedingte Nutzung des Internets über ihn unbemerkt ein Interessenprofil erstellen könnten. Infolge dessen erhalte er unaufgefordert Zuschriften. Er wünsche nicht, daß seine Privatanschrift bekannt werde. Sei eine Anschrift erst einmal bekannt geworden, so werde sie mittels der neuen Medien immer weiter verbreitet.

Mit Bescheid vom 14. Mai 1999 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Einrichtung einer Auskunftssperre im Hamburger Melderegister ab. Eine Auskunftssperre im Melderegister könne nur in besonders gelagerten Einzelfällen eingetragen werden. So sei es nach § 34 Abs. 5 HmbMG erforderlich, der Meldebehörde gegenüber das Vorliegen von Tatsachen glaubhaft zu machen, die die Annahme rechtfertigten, daß dem Kläger oder einer anderen Person bei Bekanntwerden der Anschrift eine Gefahr für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit oder ähnliche schutzwürdige Belange erwachsen könne. Dem Vorbringen des Klägers lasse sich eine solche Gefährdung nicht entnehmen.

Am 1. Juni 1999 erhob der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid. Er trug weiter vor, daß von seiner Seite alles getan werde, um zu verhindern, daß Daten aus seiner Nutzung des Internets gewonnen würden, insbesondere durch die Installation einer Firewall und durch regelmäßige Virusscans. Dennoch könne nicht ausgeschlossen werden, daß Dritte die IP-Adresse zusammen mit der Uhrzeit, der aufgerufenen Website und der Verlinkung sowie weitere Daten speicherten. Wenn solche – rechtmäßig oder rechtswidrig gewonnenen – Daten mit den persönlichen Daten des Nutzers verbunden werden könnten, könnten einzelnen Personen genaue Interessenprofile zugeordnet werden. Genau das sei das Ziel zahlreicher Unternehmen. Name und Ort seien im Internet relativ leicht zugängliche Daten. Die persönliche Wohnanschrift bleibe jedoch unbekannt, sofern sie nicht leichtsinnig im Internet versendet werde. An dieser Stelle überbrückten die Meldebehörden eine sonst kaum überwindbare Lücke; bei Angabe von Namen und Wohnort würden die Meldebehörden interessierten Dritten weitere Daten preisgegeben. Seinem Interesse genüge es nicht, sich in die so genannte “Robinson-Liste” eintragen zu lassen und Sendungen adressierter Werbung bei den einzelnen Unternehmen zu widersprechen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. September 1999, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 10. September 1999 zugestellt.

Am 21. September 1999 hat der Kläger Klage erhoben. Er betont, daß sich die beantragte Auskunftssperre nunmehr lediglich darauf richte, eine Verarbeitung der ihn betreffenden Daten zu Zwecken der Direktwerbung auszuschließen. Tatsächlich habe sich auch schon einmal jemand an die Beklagte gewandt, um zum Zweck der Direktwerbung Auskunft über seine – des Klägers – aktuelle Adresse zu erlangen. Der Kläger verweist dazu auf ein Schreiben einer Firma aus Schwarzenbek vom 21. August 1999 (Bl. 18 der Gerichtsakte).

Der Kläger trägt weiter vor, daß sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt werde, wenn persönliche Daten gegen seinen Willen an Dritte – etwa auch an Adressenverlage – weitergegeben werden könnten. Die Beklagte sei deshalb verpflichtet, eine Auskunftssperre einzurichten, die eine Verarbeitung ihn betreffender Daten für Zwecke der Direktwerbung ausschließen könne. Dadurch würden weder die Beklagte noch andere staatliche Dienststellen in ihrer Aufgabenerfüllung behindert.

Wenn das Hamburgische Melderecht es nicht vorsehe, kostenfrei gegen eine Verarbeitung ihn betreffender Daten für Zwecke der Direktwerbung durc...

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