1 Leitsatz

Erhebt ein Wohnungseigentümer eine Anfechtungsklage gegen einen Negativbeschluss und zusätzlich eine Beschlussersetzungsklage, sind die Gegenstände wirtschaftlich grundsätzlich identisch. Maßgeblich ist dann der höhere Gegenstand.

2 Normenkette

§§ 21 Abs. 8, 28 Abs. 5 a. F.; § 49a GKG a. F.

3 Das Problem

Die Wohnungseigentümer genehmigen im Jahr 2017 die Abrechnung 2015 und 2016 (jeweils in Bezug auf die Gesamtgemeinschaft und eine Untergemeinschaft). Ferner beschließen die Wohnungseigentümer, den Verwalter zu entlasten sowie den Wirtschaftsplan für das Jahr 2017 (auch hier in Bezug auf die "Gesamtgemeinschaft" und eine Untergemeinschaft). Ein Antrag der K auf Beseitigung der an bestimmten Stellplätzen angebrachten Markierungen wird abgelehnt. K verlangt jetzt, die Beschlüsse für nichtig, hilfsweise für unwirksam zu erklären, und die Beklagten zu verpflichten, die Markierungen insoweit zu entfernen, als sie eine Zuordnung zu einem bestimmten Sondereigentum enthalten. Das AG weist die Klage ab, das LG die Berufung zurück. Die Revision lässt es nicht zu. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der K.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! K ist nach Ansicht des BGH nicht über 20.000 EUR beschwert. Werde eine Anfechtungsklage gegen den Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung oder des Wirtschaftsplans abgewiesen, bestimme sich die Beschwer bei einer einschränkungslosen Anfechtung des Beschlusses nach dem Anteil des Anfechtungsklägers an dem Gesamtergebnis der Abrechnung oder des Wirtschaftsplans, und zwar auch dann, wenn dieser formale Fehler der Abrechnung bemängele. Hieraus errechne sich ein Gesamtbetrag dieser Gegenstände von 3.970,73 EUR. Der Wert für die Entlastung betrage 1.000 EUR, da K keine besonderen Anhaltspunkte für einen höheren Wert dargelegt oder glaubhaft gemacht habe. In Bezug auf die Anfechtung des Negativbeschlusses (Entfernung der Stellplatzmarkierungen) und dem abgewiesenen Antrag, die Beklagten zu verpflichten, die Markierungen zu beseitigen, sei eine wirtschaftliche Identität der Streitgegenstände anzunehmen. Das LG sei mangels anderer Anhaltspunkte von einem Einzelinteresse der K in Höhe von 600 EUR ausgegangen. Dass dieser Betrag höher anzusetzen wäre, werde in der Nichtzulassungsbeschwerde weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Hinweis

  1. Für die Wertgrenze der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Wert des Beschwerdegegenstands in dem beabsichtigten Revisionsverfahren maßgebend. Der Wert der Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelführers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Dieses Interesse ist – wie stets – nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bewerten und erhöht oder ermäßigt sich nicht dadurch, dass bei der Bemessung des Gebührenstreitwerts auch eine Reihe von anderen Kriterien zu berücksichtigen sind. Infolgedessen entspricht der gem. § 49a GKG a. F. bestimmte Gebührenstreitwert in der Regel nicht der Beschwer. An diesen Grundsätzen dürfte die WEG-Reform nichts geändert haben. Allerdings ist § 49a WEG a. F. entfallen. An seine Stelle ist – nur für die Beschlussklagen – § 49 GKG getreten. Ferner ist spätestens jetzt klar, dass es nach § 28 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WEG um Vor- bzw. Nachschüsse und also den Anteil des Klägers an Wirtschaftsplan- und Abrechnung geht.
  2. K hatte auch geltend gemacht, ihre Beschwer sei höher, weil ihrem in der Versammlung anwesenden Gesellschafter "in einer in äußerstem Maß ehrverletzenden Weise das Recht zum Verlesen der Begründung seiner Anträge verwehrt worden sei". Solche Überlegungen gehen fehl. Bei Ehrverletzungen handelt es sich um mittelbare Nachteile, die ebenso wie die mittelbaren wirtschaftlichen Folgen von angefochtenen Beschlüssen bei der Ermittlung der Beschwer außer Betracht bleiben. Anders wäre es bei Ansprüchen gewesen, die der Beseitigung der von der K behaupteten Verletzungen der Persönlichkeitsrechte ihres Gesellschafters gedient hätten. Diese waren aber nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

5 Entscheidung

BGH, Beschluss v. 1.10.2020, V ZR 45/20

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